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Dornenkuss

Dornenkuss

Titel: Dornenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Rücken.
    »Gift. Gift und ein starkes beruhigendes Medikament. Allein sein Kopf blieb klar, doch er hatte keine Schmerzen und nahm sie, bevor Angelo sein Leben beenden konnte. Angelo glaubt nur, dass er selbst ihn getötet hat. Ein kleiner Triumph, immerhin.«
    »Er hatte Gift …«
    »Er war Mediziner, mein Kind. Es wäre dumm, sogar leichtfertig gewesen, nicht auf diese Weise vorzusorgen. Und er war müde, sehr müde. Seitdem du auf der Welt warst, hatte er nicht mehr geschlafen – für einen Mahr eine Selbstverständlichkeit, aber für ein Halbblut, das im Herzen Mensch geblieben ist, eine Folter, die ihresgleichen erst suchen muss.«
    »Aber er wollte doch noch so vieles tun, so vieles bewirken«, erwiderte ich flehentlich. Er war zu früh gegangen!
    »Das hätte er auch versucht, wenn das Netz sich nicht so schnell zugezogen hätte. Er hat es immer versucht. Es war zu seiner Lebensaufgabe geworden.«
    Morpheus nahm eine Hand von meiner Schulter. Ja, ich konnte stehen, mein Organismus hatte sich gefangen und begann, seine Arbeit wieder aufzunehmen. Trotzdem ließ Morpheus seine andere Hand bei mir und ich war froh, dass er es tat. Ich wollte noch nicht auf seine Geborgenheit verzichten.
    »Hättest du nicht trotzdem irgendetwas dagegen tun können?«
    »Ich kam zu spät. Ich wusste nicht, dass Angelo es war, der alle Macht an sich gerissen hatte und es tun wollte, obwohl es eine friedliche Abmachung zwischen ihm und deinem Vater gab. Wir können einander nicht in die Köpfe sehen. Wir können es nur, während wir rauben, und wenn wir uns dabei erwischen, töten wir uns gegenseitig. Bemerken wir es nicht oder zu spät, sind wir danach zutiefst erschöpft, vor allem wenn wir vorher sehr hungrig waren.« Deshalb also hatte Morpheus sich die Formel nicht sofort zurückholen können … Colin war schneller als er gewesen. »Dein Vater hatte sein Gift bereits genommen. Ich kann Träume rauben und Erinnerungen stehlen, ich kann Menschen Schlaf geben und sie sogar von schlechten Gedanken befreien. Doch ich kann nicht ihr Sterben verhindern, wenn es bereits begonnen und den Punkt erreicht hat, an dem das Bewusstsein schwindet. Den Göttern sei gedankt, dass ich das nicht kann. Es wäre ein Fluch.«
    Ein klägliches Wimmern löste sich aus meiner Brust, als ich an meine Träume dachte, die mich seit dem Winter mit sturer Regelmäßigkeit heimgesucht hatten, Träume, in denen ich Papa fand und wir ihn zurückholten, zurück in unsere Familie, doch in jedem dieser Träume konnte ich mich nicht darüber freuen, weil ich genau spürte, dass er das gar nicht wollte. Er war so müde. Er schaute mich an und seine Augen sagten mir nur eines: Lass mich schlafen. Lass mich bitte wieder schlafen.
    »Wenn du niemanden zum Leben erwecken kannst, dann tu wenigstens das, wozu du fähig bist, besser als jeder Mensch: Töte! Töte Angelo!«, rief ich mit klirrender Stimme. »Töte ihn! Beende diese Schreckensherrschaft!«
    »Das wäre zu wenig«, erwiderte Morpheus leise. »Und es würde nichts ändern. Der nächste giert schon nach seinem Posten. Der Tod ist zu wenig, mein Kind.«
    Ja. Ja, er hatte recht. Der Tod allein war zu wenig. Er genügte nicht. Es musste etwas anderes geschehen.
    »Ich kapier es trotzdem noch nicht – was war so gefährlich an meinem Vater? Er hat doch niemanden gezwungen, mit ihm zu kooperieren, das konnte er gar nicht! Warum konnten sie ihn nicht so lassen, wie er war? Nur weil er zwischen den Welten bleiben wollte, musste er sterben?«
    »Angelo wollte ungestört jagen, bis in alle Ewigkeit. Niemand sollte ihm dabei im Wege stehen oder infrage stellen, was er tat. Kein Mensch sollte je von ihm und den anderen erfahren. Dein Vater war ihm dabei ein Dorn im Auge, denn er hatte vor, diese unsichtbare Linie zu überschreiten. Es gab viele Gründe für Angelo, ihn zu töten, und einige von ihnen wirst du womöglich niemals herausfinden oder verstehen. Für den Moment ist das auch nicht wichtig. Es gibt noch etwas für dich zu erledigen, heute Nacht und auf dieser Insel.«
    Ich sah erstaunt zu ihm hinunter. »Heute Nacht?« Ich konnte mir nicht vorstellen, was das sein sollte.
    »Ja.« Morpheus nickte und nahm seine Hand von meiner Schulter. Ich taumelte einen Augenblick lang, dann fand ich meine alte Stabilität wieder und streckte meinen Rücken, bis meine Wirbel gedämpft knackten. »Heute Nacht. Geh in die Gassen und mische dich unter Wesen, die fühlen. Du wirst wissen, was du zu tun hast.«
    »Ich werde es

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