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Dornenkuss

Dornenkuss

Titel: Dornenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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sondern auch wegen Colin. Mir war in eurer Nähe dauernd schlecht, ich hab mich elend gefühlt, ein penetrantes Unwohlsein, ich kann es gar nicht erklären. Irgendwas trieb mich fort von euch. Ich hab Paul angebettelt, mich wegzubringen, und schließlich hat er uns ein Hotel gesucht. Aber tagsüber war meistens jemand in deiner Nähe. Wir haben uns abgewechselt. Du hast uns nur nicht mehr gesehen. Denn wenn du nicht draußen am Meer warst, hast du dich in deinem Zimmer oder oben auf dem Balkon verkrochen. Trotzdem, auch ich war da, ich hab jeden Morgen den Kühlschrank aufgefüllt und das Chaos in der Küche beseitigt.«
    »Was für ein Chaos?«, fragte ich beunruhigt. Ich hatte doch gar nichts mehr gegessen oder gekocht. Deshalb wunderte es mich umso mehr, dass ich nicht ausgemergelt wirkte. Ich war ein wenig zu dünn, aber magersüchtig sah ich nicht aus. Po und Busen waren rund geblieben.
    »Das Chaos, das du nachts angerichtet hast, wenn du deine somnambulen Fressanfälle hattest.« Gianna erhob sich stöhnend und wandte sich wieder meinem Kopf zu.
    »Ich hab nicht geschlafen.«
    »Hast du auch nicht. Du hast schlafgewandelt und ich bin seitdem hundertprozentig davon überzeugt, dass Schlafwandler nicht schlafen. Sie sind nur … in einer anderen Sphäre. Es ist gut, dass du diese Anfälle hattest, sonst wärst du uns verhungert. Ich fand es nur äußerst lästig, dass du nie etwas weggeräumt hast und morgens das Ungeziefer in der Küche war. Termiten, Kellerasseln, Schaben … das ganze vielfüßige Arsenal an Widerlichkeiten. Puh.«
    »Ja, und genau so etwas machen richtige Heldinnen nicht«, erwiderte ich unglücklich. »Heldinnen fallen erst gar nicht auf einen solchen Schwindel hinein. Es ist noch viel abgründiger, als du denkst, Gianna.«
    »Noch abgründiger?« Ihre Hand erstarrte in der Luft. »Nicht heulen, Elisa, nicht! Du hast es gerade geschafft, damit aufzuhören!« Doch es war schon zu spät. Die Tränen kullerten dick und salzig über meine Wangen und wie immer verfärbten sich meine Augen dabei grünlich.
    »Es war schön!«, rief ich aufschluchzend. »Ich fand es schön. Ich war glücklich. Alles war so schön … dieses Land, das Meer, die Sonne …«
    »Aber es ist ja auch schön!«, fiel Gianna enthusiastisch dazwischen. »Es ist ein schönes Land und das wird es bleiben, selbst für dich. Ganz bestimmt.«
    Ich schüttelte störrisch den Kopf. »Ich werde es nie wieder so sehen und in mich aufnehmen können wie in diesen Wochen. Angelo hat auch kein dummes Zeug geredet oder rumgeschleimt, er hat mich nie angemacht, kein einziges Mal! All seine Argumente und Geschichten, die er erzählte – ich hatte keinen Grund, sie nicht zu glauben, es waren intelligente Sätze dabei, viele intelligente Sätze, und manchmal sprach er Dinge aus, die ich nie zu denken gewagt hatte, aber immer gefühlt und mir dabei gewünscht hatte, dass sie jemand ebenso empfand wie ich …«
    »Weil er verdammt gut im Manipulieren war, Elisa! Das ist Manipulation! Geschickte Manipulatoren sind rhetorische Genies, sie sprechen dir aus der Seele und das, was sie sagen, hat Hand und Fuß und aus dem Munde eines anderen wäre es sogar harmlos. Ihr Ansinnen vergiftet es! Es kommt nicht aus ihrem Herzen, sondern entspringt einem Plan, es ist von vorne bis hinten kalkuliert. Genau das ist ja das Fiese daran … Sie ordnen es so an, dass es ein Spinnennetz ergibt, in das du automatisch hineinfliegst.«
    Jetzt war Gianna wieder in ihren Lehrbuchjargon gefallen, doch dieses Mal war ich froh darum. Anders hielt man es wirklich nicht aus. Ich brauchte diese Distanz genauso wie sie.
    »Aber ich hätte es merken müssen! Ich hätte merken müssen, dass es kalkuliert ist …« Schniefend zog ich ein Kleenex aus der Box und schnäuzte mich, bis meine Stirnader gefährlich anschwoll.
    »Du konntest es nicht merken, weil es das erste Mal war. Beim ersten Mal haben sie immer die besten Karten. Einen raffinierten Manipulator erkennst du nur, wenn du schon einmal manipuliert worden bist«, referierte Gianna. »Hey, ich bin zwei Jahre lang drauf reingefallen, zwei Jahre! Und der Typ war hässlich wie eine nasse Ratte. Er war nicht einmal schön. Angelo hingegen war bildschön. Es ist immer leichter, auf einen schönen Menschen reinzufallen als auf einen hässlichen, und mein Ex hat es trotzdem geschafft.«
    »Erbärmlich, oder?«
    »Ich weiß es nicht.« Gianna rümpfte die Nase. »Ist es erbärmlicher, manipuliert zu werden, weil man an das

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