Dornteufel: Thriller (German Edition)
bist du mit deinen Recherchen?«, fragte sie.
»Ich unternehme viel, rede viel, erfahre noch mehr; aber ich bin dem Kern der Sache noch nicht näher gekommen«, gab er zu.
»Was ist mit Noël? Ist er noch da?«
Das gab Paul einen Stich. Er strampelte sich hier in Hamburg für sie ab, und sie interessierte sich immer noch für diese Kröte. »Sie sind alle noch da. Ich hab ein Vöglein singen hören, dass auch das gesamte Corporate Center anmarschiert ist. Aber weißt du … sie lassen mich nicht an ihren Sitzungen teilnehmen.«
»Du kriegst es schon noch raus.«
»Eines der Vorstandsmitglieder, Stefan Wilson, hat sich übrigens zwischen den Sitzungen mit einer Frau getroffen. Nix Privates. Ich hab herausgefunden, dass es die Frau ist, die du erwähnt hast. Sie hat als Ingenieurin bei Serail Almond in Indien gearbeitet. Julia Bruck ist ihr Name.«
»Und? Kann sie uns nützlich sein?«
»Nettes Ding«, bemerkte er beiläufig. »Ich habe mich mit ihr verabredet. Nur für den Fall, dass sie etwas weiß. Sie scheint nicht gerade gut auf Wilson zu sprechen zu sein.«
»Vielleicht war es ein Fehler«, sagte Rebecca. »Wenn nun doch keine Story dahintersteckt. Und ich hab dich extra nach Hamburg gescheucht …«
»Hättest du mich lieber bei dir?«, fragte er scherzhaft.
»Darum geht es nicht. Ich weiß, dass du von deiner Schreiberei leben musst. Gut möglich, dass Serail Almond in Schwierigkeiten steckt, es aber keine Geschichte dazu gibt.«
»Ich vertrau meinem Instinkt, mon cœur . Es ist in jedem Fall was im Busch. Als ich deinem Noël Almond die Visitenkarte von dem Typen habe zukommen lassen, der auf der Aurelie gehaust hat, da kam er sofort angesprungen. Mensch, war der nervös. Bei diesem Typen handelt es sich übrigens um einen bekannten Unternehmer; er ist im Hamburger Feierabendparlament und angeblich mit ein paar Senatoren auf Du und Du. Doch er hat offenbar keinerlei Kontakt zu Serail Almond oder dem Ehepaar Almond. Stattdessen …« – Paul sah sich noch einmal prüfend um – »… gibt es eine Verbindung zu Wilson: Beide sind in einer neu gegründeten Hilfsorganisation engagiert, die sich für Flüchtlinge einsetzt.« Er konnte den fragenden Ausdruck in Rebeccas Gesicht genau vor sich sehen.
»Klingt im Prinzip nach einer guten Sache«, sagte sie.
»Eher nach einem höchst merkwürdigen Zufall«, entgegnete er.
»Wilson könnte seinem Hamburger Freund den Kontakt zu Almond und der Aurelie vermittelt haben«, vermutete Rebecca.
»Macht Noël so etwas? Sein Schiffchen über einen Kollegen an Dritte vermitteln lassen?«
Stille.
Paul beschloss, sie durch eine provokante Äußerung zu einer Antwort zu bewegen. »Du hast mir doch mal erzählt, dass Noël seine Jacht eifersüchtiger überwacht als seine Frau, nicht wahr?«
»Als mich«, korrigierte Rebecca ihn lakonisch. »Eifersüchtiger als mich.«
Über das Parkett der Altbauwohnung strich im Winter ständig ein kühler Luftzug, während unter der drei Meter sechzig hohen Decke zweiunddreißig Grad herrschten. Julia blinzelte und bewegte ihre tauben Zehen, die in einem Paar dicker Wollsocken von Sonja steckten. Sie schob den Computer ein Stück von sich weg. Bei ihren Recherchen über Competitive Intelligence und Robert Parminski sowie diesen Journalisten Paul Renard hatte sie nichts Neues erfahren. Und ihre Suche im Internet nach einer vorübergehenden Unterkunft in Hamburg war auch nicht erfolgreich gewesen. Wie auch, wenn in der Hansestadt zurzeit etwa vierzigtausend Wohnungen fehlten, wie der Mieterverein behauptete. Sie hatte jedenfalls bislang kein günstiges möbliertes Zimmer, keinen freien WG-Raum in passabler Lage oder Ähnliches gefunden. Und es würde noch ein knappes halbes Jahr dauern, bis der befristete Mietvertrag für ihre Wohnung in Ottensen auslief. So lange müsste sie wohl entweder weiter bei Sonja oder im Hotel wohnen. Aber beides wollte sie unbedingt vermeiden. Obwohl Sonja betonte, sie dürfe so lange bleiben, wie es notwendig war, hatte sie nicht die Absicht, die Gastfreundschaft ihrer Freundin über Gebühr zu strapazieren. Sonja hatte schließlich auch ein Privatleben. Doch für so lange Zeit in ein Hotel zu ziehen war schlichtweg zu teuer. Zumal die letzten Gespräche mit ihrem Vorgesetzten bei ICL Thermocontrol nur suboptimal gelaufen waren. Aus seiner Sicht hatte sie völlig willkürlich einen bedeutenden Auftrag nicht ausgeführt, so einen wichtigen Kunden verprellt und damit dem eigenen Arbeitgeber einen
Weitere Kostenlose Bücher