Down Under - Reise durch Australien
Beifahrerfenster, um es vom Fahrtwind kühlen zu lassen, und Nick versuchte krampfhaft, jeden Buckel auf der Piste vorauszuahnen, um sich vom Sitz zu heben, damit die Stöße des Jeeps ihn nicht umbrachten. Denn bei jeder Bodenwelle stach ihm seine kaputte Rippe ins Fleisch. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Während wir beide bei jedem Schlagloch laut: »Au! Au!«, schrien und in den unmöglichsten Positionen verkrümmt auf unseren Sitzen kauerten, amüsierten sich die anderen hinter uns köstlich.
Das Einzige, was ihren Übermut zuerst etwas, dann gewaltig dämpfte, war die unglaubliche Hitze im Fahrzeug. Die Temperatur stieg im Outback während unserer Tour bisweilen auf über 50 Grad. Im Schatten! Aber findet mal so viel Schatten in dieser Gegend, dass man ein Thermometer reinlegen kann. Colins Wagen hatte von air conditioning noch nie etwas gehört, und so war die einzige Möglichkeit, Erleichterung zu finden, ununterbrochen zu fahren und sich durch den heißen Fahrtwind das Gemüt und den Kopf kühlen zu lassen. Genügend Wasser hatten wir dabei, sodass wir sogar etwas davon erübrigen konnten und es uns ab und zu ins Gesicht spritzten.
Wenn man das erste Mal ins Outback aufbricht, kann man vor lauter Aufregung, die rote Unendlichkeit selbst zu entdecken, gar nicht still sitzen. Bereits nach recht kurzer Zeit ändert sich das, weil man einfach nichts Neues sieht. Es ist die Erkenntnis, dass auch die größte Sehnsucht an Reiz verliert, wenn man am Ziel angelangt ist. Der rote Sand, das Buschwerk, das lange Band der sie durchziehenden Straße und der unglaublich blaue und klare Himmel sind nach acht Stunden im Auto auf einmal nicht mehr das Maß aller Dinge, sondern das kalte Bier, das man aus der Kühlbox holt und nach dem man sich den ganzen Tag über gesehnt hat. Es ist der pure und leicht dekadente Luxus, in einer Wüste mit riesigen Vorräten versehen unterwegs zu sein und, wann immer man Lust hat, anzuhalten, ein Bier oder eine Cola zu öffnen, was zu futtern und danach weiterzufahren. Und dann noch zu meckern, wie heiß es hier doch ist!
Tagsüber, während der langen Etappen unserer Fahrt, hatte ich viel Zeit, über solche und ähnliche Dinge nachzudenken. Oft veränderte sich der Horizont stundenlang nicht, und man fuhr wie in Trance. Je heißer es wird, umso eher versiegt der Erzählfluss selbst der lustigsten Truppe, und so dösten die meisten von uns oft weg oder hingen ihren Gedanken nach. Wie in den meisten heißen Gegenden dieser Welt lebt man erst am Abend richtig auf. Und nichts, wirklich nichts, was ich bisher erlebt habe, geht über die Nächte unter freiem Himmel im Outback. Du hast das Gefühl, du bist wirklich und wahrhaftig ein Nichts. Ich stellte mir vor, dass da irgendwo über mir in den Weiten des Universums ein Wesen schweben könnte, das vorsichtig unsere Erde in der Hand hält und sich ansieht, was hier so abläuft. Und dann sieht es mich Winzling dasitzen und bräuchte nur zu pusten, und weg wäre ich. Merkwürdige Gedanken, nicht wahr? Aber jede Wette, dass sich solche oder ähnliche auch in euren Köpfen einfinden werden, sobald ihr ein Weilchen auf dem Rücken im Wüstensand liegt, die Arme hinter dem Kopf verschränkt diesen Himmel betrachtet und doch nicht begreift – und dann das Gefühl bekommt, alles, was in eurem Leben geschehen ist und was noch sein wird, ist unwichtig, und ihr könnt verdammt noch mal nicht verstehen, weshalb ihr es bisher wichtig gefunden habt. Das macht das Outback wirklich aus. Man findet zu sich, wird reduziert auf sich selbst und auf das, wofür es sich zu leben lohnt.
Am dritten Tag unserer Tour trat etwas ein, das selbst Colin sprachlos machte. Am frühen Nachmittag ballten sich in der Ferne gewaltige Wolkenberge zusammen, und wir fuhren genau in ihre Richtung. Ich stieß Colin an, der sich ganz auf die Straße konzentrierte, und machte ihn auf das Schauspiel aufmerksam.
»Sieht schon gewaltig aus«, sagte er und kniff die Augen zusammen. »Das kannst du hier öfter sehen, aber regnen tut es dann doch nicht. Ich kann mich überhaupt nicht mehr an Regen erinnern. Soweit ich weiß, hat es hier seit sechs Jahren nicht mehr geregnet.«
Nick runzelte die Stirn. »Echt? Die sehen aber ganz schön bedrohlich aus. Und schwarz sind sie auch.«
Colin machte eine abwehrende Handbewegung. »Schon. In größeren Höhen bilden sich öfter mal solche Wolken, und sie regnen auch ab. Aber ehe die Tropfen den Boden erreichen,
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