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Dr. Gordon verliebt

Dr. Gordon verliebt

Titel: Dr. Gordon verliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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größten Vergnügen! Wenn wir jetzt gleich gehen, finden wir sogar noch einen freien Tisch im Speisesaal der Mitglieder.»
    «Unsinn! Wir gehen in ein Holborner Lokal essen. Das wäre für mich das letzte, während des Essens einem Haufen Ärzte gegenüber zu sitzen.»
    Dr. Farquarson führte mich in ein Kellerrestaurant am Ende einer düsteren Allee, in dem Steaks auf offenem Feuer gebraten wurden und die Gäste aus der City in hochlehnigen Sitzen nach Art eines Chorgestühls unter ihren steifen Hüten saßen, die wie Bündel riesiger schwarzer Trauben zu ihren Häupten baumelten.
    «Sie haben also noch immer vor, sich in der Chirurgie zu versuchen?» fragte er mich mitten in der Behandlung seines Hammelrippchens.
    Ich nickte.
    «Heutzutage hat’s nicht viel Sinn, die Chirurgie als Fach zu wählen, finde ich. Man spaltet jetzt das Haar der Spezialisierung feiner denn je — habe gehört, in Amerika gibt’s einen extra Arzt für die rechte Niere, und einen extra Arzt für die linke. Ich glaube alleweil, ein Facharzt ist ein Kerl, der immer mehr dafür verlangt, daß er immer weniger weiß; könnt ich noch über meine Zeit frei verfügen, würd ich Omphalologe werden.»
    Ich sah ihn verdutzt an.
    «Kommt vom griechischen omphalos. Ein Nabelspezialist.» Dr. Farquarson lächelte selten, doch seine sandfarbenen Brauen zuckten heftig, wenn ihm etwas Belustigendes einfiel. «Es kann nicht sehr viele Leute geben, die ein Leiden an diesem Organ befällt, doch andererseits kann’s auch nicht sehr viele Leute geben, die ein lebenslanges Studium dran gewandt haben. Von allen Enden der Welt würden die Patienten in Scharen herbeiströmen. Der gute alte James Bridie hat mal drüber geschrieben.» Er machte einen tiefen Zug aus seinem Deckelkrug. «Übrigens folgendes: was hielten Sie davon, sich als praktischer Arzt zu betätigen?»
    «Meinen Sie vorübergehend?»
    «Ich meine ständig.» Als ich dazu nichts äußerte, fuhr er fort: «Habe grad einen Budenwechsel vollzogen und mit einem Burschen namens McBurney getauscht, den ich von der Universität her kannte — hat Pech gehabt, der arme Junge, und Tuberkulose erwischt. Ich hause daher jetzt in Hampden Cross.»
    «Im Norden von London?»
    «Stimmt. Kennen Sie’s? Liegt im sogenannten Grüngürtel, der hauptsächlich aus einem Wald von Verkehrszeichen und Benzinpumpen besteht. Aber ringsum ist eine recht nette Umgebung, und außerdem gibt’s noch eine alte Abtei und einen Cricketplatz, um die geistigen Bedürfnisse zu befriedigen. Jetzt bauen sie dort eine dieser neuen Stadtsiedlungen, und daher werde ich bald einen Assistenten brauchen — mit Aussichten, wie es so schön in den Inseraten heißt.»
    Ich zögerte.
    «Verzeihen Sie, daß ich Sie frage», sagte er schnell. «Diesmal werden Sie ja die Primäre hinter sich bringen, und zu Weihnachten haben Sie die Fellowship in der Tasche. Im Handumdrehen sitzen Sie in der Harley Street. Dann können Sie sich drauf verlassen, daß Sie von mir altem Krauter etliche Fälle überwiesen kriegen.»
    Während der restlichen Mahlzeit sprach er über Sportwettbewerbe.
    Vierzehn Tage später trat ich zur Primären an. Vor der Einführung der Krankenkasse pflegte die Prüfung an einem kleinen Häufchen Kandidaten in der ruhigen akademischen Atmosphäre einer Dissertation an einer mittelalterlichen Universität vollzogen zu werden. Doch da die jungen Ärzte sie nunmehr mit demselben Geist in Angriff nehmen, mit dem sie im Grand National auf Pferde setzen, muß der Wettbewerb nach schärferen Regeln ausgetragen werden. Die schriftliche Prüfung hatte mich zu einigen Hoffnungen berechtigt, und ein paar Tage später stand ich abermals im kahlen Vorraum der Prüfungssäle, der mit jener Spezialmischung von Grün und Gelb ausgemalt war, wie man sie in England so gerne für Irrenanstalten, Bahnhofswartesäle und Polizeilokalitäten bevorzugt. Während ich auf die Mündliche wartete, erfaßte mich plötzlich ein heftiger Widerwille gegen alle Prüfungen. Ich rechnete aus, daß ich mich seit meiner Kindheit, einschließlich des Aufnahmeexamens und der Fahrerprüfung, deren einem guten Dutzend unterzogen hatte. Als Medizinstudent hatte ich sie in Gesellschaft meiner Freunde absolviert, was diese Plage mit dem Kameradschaftsgeist eines Fußballteams ertragen ließ; doch nun hieß es nicht nur, den Examinatoren allein die Stirn zu bieten, sondern ich führte mir auch vor Augen, daß im nächsten Jahre mein Einkommen davon abhing.
    Diese

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