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Dr. Gordon wird Vater

Dr. Gordon wird Vater

Titel: Dr. Gordon wird Vater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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muß man mit
einem Auge auf der Uhr durchs Leben eilen, wie das weiße Karnickel in im Wunderland). Außerdem hielt ich dich für leicht angeschlagen», fügte er
liebenswürdig hinzu. «Aber vermutiich gerietest du nur unter die falschen Leute
— wie diesen Grimsdyke und Konsorten. Deswegen freue ich mich ganz besonders,
daß du schließlich doch wie ein verantwortungsbewußtes Mitglied der
menschlichen Gesellschaft seßhaft geworden bist und eine Familie gegründet
hast.»
    «Sehr freundlich von Ihnen, Sir»,
murmelte ich.
    «Wie du weißt», fuhr er fort, ohne
meines Einwurfs zu achten, «habe ich weder Kinder, Neffen, Nichten, Vettern,
Hunde, Papageien noch eine Vorliebe für den Unterstützungsfonds der Ärzte. Was
immer du im Spital hören magst — ein besonders reicher Mann bin ich nie
gewesen. Aber ich bin im Haus eines praktischen Arztes im Kohlenrevier
aufgewachsen, wo wir jeden Penny zweimal umdrehen mußten, um nicht allesamt
Hungers zu sterben, und diese Gewohnheit ist mir geblieben. Und so fand ich vor
einigen Jahren, ich könnte eigentlich ganz gut ein paar Stipendien im St.
Swithin dotieren.»
    Wir wurden durch ein ältliches
Klubmitglied unterbrochen, das im Vorbeigehen murmelte: «Tag, Spratt.
Fortgewesen?»
    «Hab vor fünf Jahren seinen rechten
Leistenbruch in die Hände genommen», erklärte Sir Lancelot, ihm mit scharfem
Auge nachblickend. «Sieht ganz danach aus, als müßte jetzt die andre Seite drankommen.
Weißt du, daß ich seit dem Lunch zwei Emphyseme und eine Rückgrats Verkrümmung
festgestellt habe? Richtige pathologische Fundgraben sind diese alten Londoner
Klubs. Aber ich komme vom Thema ab.»
    Er lehnte sich zurück und legte die
schmalen Fingerspitzen aneinander, die zehntausend Unterleiber untersucht
hatten.
    «Weißt du eigentlich, warum ich London
verlassen habe?» fragte er.
    «Um dem Beispiel Candides zu folgen,
Sir?» forschte ich.
    «Ich versichere dir, ich wäre viel
lieber dem Beispiel eines Karrengauls gefolgt und in den Sielen gestorben. Kurz
und gut, es hat mich angeekelt, wie ich im St. Swithin behandelt wurde.»
    Als ich erstaunt aufblickte, erklärte
er: «Man hatte mir versprochen — oder so gut wie versprochen —, mir ein
offizielles Schreiben zu senden, in dem ich eingeladen würde, bis zur
Zweihundertjahrfeier des Spitals nächstes Jahr im Stab zu verbleiben. Alles,
was man mir sandte, war jedoch nur ein Wisch des Verwalters — dieses
widerlichen Zwergs, mit dem ich seit Jahren nicht mehr gesprochen hatte —,
worin ich ermahnt wurde, vor meinem Abgang die Schrankschlüssel abzuliefern.
Nach einem halben Jahrhundert gab man mir einen Fußtritt wie einem
Spitalsdiener. Da hast du deine sozialisierte Medizin.»
    Er machte eine Pause, um sich wütend zu
schneuzen.
    «Du wirst doch über all dies den Mund
halten?» fragte er, mich scharf ins Auge fassend.
    «Gewiß werde ich in Ihren
Angelegenheiten vollste Verschwiegenheit wahren, Sir.»
    «Das freut mich, sonst würde ich dir
das Genick brechen. Du kennst mich ja, Gordon. Halbe Dinge liegen mir nicht.
Entweder drinnen sein oder draußen. Und ich war draußen. So schrieb ich eben
meinen Patienten, daß ich meine Praxis in London zusperren ,
und meinen Agenten, daß ich meine Zelte in Herefordshire aufschlagen wolle. Und
so ist’s auch geschehen.»
    Ich schwieg, nur zu gut erfassend, was
für eine qualvolle Selbstamputation dies für ihn gewesen sein mußte. Doch Sir
Lancelot legte, wie alle guten Chirurgen, gern den Finger auf schmerzende
Wunden.
    Auf der Suche nach einem tröstlichen Zuspruch
sagte ich ihm: «Alle Leute im St. Swithin haben Sie aufs schmerzlichste
vermißt.»
    Sir Lancelot lächelte belustigt. «Mein
lieber Junge, die eine Hälfte des Ärztestabes konnte es kaum erwarten, mich
loszuwerden, und die andere Hälfte hat schon seit Jahren darauf gehofft, mich
eines Tages tot umfallen zu sehen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie
entmutigend es wirkt, die jüngeren Kollegen dabei zu ertappen, wie sie über den
Mittagstisch hinweg nach den ersten Anzeichen von Arterienverkalkung, Gehirnerweichung
und allgemeinem Kräfteverfall an dir Ausschau halten. Aber das Resultat all
dieser Dinge ist klipp und klar: keine Stipendien für St. Swithin.»
    Er schaltete eine Pause ein, als der
rheumatische Diener das Teegeschirr abräumen kam.
    «Statt dessen», fuhr Sir Lancelot fort,
«beabsichtige ich, die Teufelsbrut, die ich kenne, ausbilden zu lassen. Ich
weiß nicht, wie viele Kinder du in die Welt zu

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