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Dr. med. Erika Werner

Dr. med. Erika Werner

Titel: Dr. med. Erika Werner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Bitte lassen Sie mich. Ich habe nicht mehr zu sagen, als ich schon gesagt habe.«
    In der vierten Woche, in einer Nacht, schellte die Alarmglocke im Block III. Die Frauen fuhren aus ihren Betten hoch. Schritte hämmerten über die Gänge, dann hörte man schnelles Laufen, gedämpfte Stimmen, das laute Organ Katharina Pleuels: »Man sollte ihr den Hintern blau schlagen!« Dann wieder das Getrappel vieler Füße.
    Gespannt standen die Frauen an den Zellentüren, hatten die Ohren an das Holz gelegt und lauschten nach draußen.
    Welche Zelle? Warum Alarm? Ein Ausbruch?
    Dann war es wieder still in dem großen Backsteinblock. Nur im Revier standen Katharina Pleuel und Berta Herkenrath hilflos vor einem Bündel Mensch. Es lag auf dem Wachstuchsofa und atmete nur noch schwach. Über den linken Arm war ein Blutstrom gelaufen, das schmale Gesicht unter den blutverklebten Blondhaaren war weißgelb, spitz stach die Nase hervor, die Augen waren eingesunken.
    »Die haut uns ab!« sagte Katharina Pleuel. Ihre Stimme hatte nichts mehr von der Strenge und Kratzbürstigkeit, die sie so gefürchtet machten. »Wenn sie … Berta, das gibt eine Meldung und Strafversetzung.«
    Berta Herkenrath hielt den Bademantelgürtel fest, mit der sie den Oberarm des Menschenbündels abgeschnürt hatte. Unterhalb des Ellenbogengelenkes, von der Handwurzel bis fast zur Mitte des Unterarmes, war der Arm mit einem stumpfen Gegenstand zerfetzt worden und die Vene an mehreren Stellen zerrissen.
    »Mit 'nem geklauten Blechlöffel, den se sich am Gitter scharf gewetzt hat …«, sagte Berta Herkenrath. »Wenn ich nicht zufällig …«
    Die Revieraufseherin kam herein, ihr Gesicht war ratlos.
    »Der Doktor ist nicht zu erreichen! Er ist weggefahren, keiner weiß, wohin. Was nun?«
    »Die verblutet uns!« sagte Katharina Pleuel stockend. »So ein blödes Luder!«
    Sie starrten in das wachsbleiche Gesicht des Mädchens. Noch schlug das Herz, aber auch die Pleuel und die Herkenrath wußten, daß man den Arm nur zwei Stunden lang abbinden konnte. Dann starb er ab.
    »Nummer 12.456 …«, sagte Katharina Pleuel plötzlich. »Die ist doch Ärztin …«
    »Holen!« rief die Revieraufseherin.
    »Aber das ist doch gegen die Vorschrift … Wenn der Chef das erfährt …«
    »Hier ist's ein Notfall! Und ehe sie stirbt … Los, holen! Ich bereite alles vor …«
    Mit Riesenschritten rannte Katharina Pleuel zum Block III zurück. Keuchend schloß sie die Zelle auf und drehte das Deckenlicht an.
    Erika Werner lag auf der Seite, ein Bein angezogen, und schlief. Katharina Pleuel rüttelte sie an der Schulter. Mit einem Schrei fuhr Erika empor und starrte in das breite Gesicht, das über ihr schwebte.
    »Was … was ist denn?« schrie sie, als solle sie getötet werden. Katharina Pleuel legte ihr die breite Hand auf den Mund.
    »Sssst – mitkommen! Du sollst operieren …«
    »Was soll ich?« Erika setzte sich. Sie begriff nicht, was sie gehört hatte.
    »Operieren! Eine von euch hat sich das Leben nehmen wollen! Los … zieh dich an … sie verblutet sonst …«
    Schnell warf Erika ihren weiten Rock und die Jacke über. Dann rannten sie durch den langen Gang des Blocks zum Revier. An den Zellentüren klopfte es.
    »Was ist los?« riefen einige Stimmen. Katharina Pleuel blieb stehen.
    »Ruhe!« schrie sie durch den Gang, daß es bis zur letzten Zelle hörbar war. »Schnauze halten!«
    Dann zog sie Erika weiter, hetzte mit ihr durch die Nacht und schob sie in das Ordinationszimmer hinein. Auf dem kleinen OP-Tisch lag bereits das sterbende Mädchen. Ihr grauenvoll zerfetzter Arm hing festgeschnallt neben ihr. Noch immer hielt Berta Herkenrath den Bademantelgürtel fest angezogen.
    Erika trat an den Tisch heran. Sie erkannte die Lebensmüde, und verstand plötzlich, warum sie es getan hatte. Es war die junge Kindesmörderin, Lore Heimberg, ein Mensch, für den Leben und Liebe gestorben waren, als sie ihr Kind aussetzte.
    Erika zögerte nicht. Sie ging zum Waschbecken und wusch sich. Unterdessen stand die Revieraufseherin hinter ihr, einen sterilen Kittel in den Händen. Als sie den Gürtel zuband, war es Erika, als falle alles ab, was in den vergangenen Wochen auf sie niedergestürzt war.
    »Skalpell!« sagte sie und setzte sich neben dem zerfetzten Arm auf einen Schemel. Die Revieraufseherin reichte ihr das Messer.
    Vorsichtig begann Erika, den aufgerissenen Arm von zerfetzten Muskelfasern zu reinigen. Sie präparierte die Vene frei und sah, daß sie an drei Stellen verletzt

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