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Dr. med. Erika Werner

Dr. med. Erika Werner

Titel: Dr. med. Erika Werner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aufzutreiben! Darf's heute mittag eine Schildkrötensuppe mit Madeira sein?!«
    »I ch habe gebeten, mich nicht zu stören!« sagte Dr. Rumholtz laut. Der Kopf der Pleuel verschwand wieder. Auf dem Flur hörte man sie schimpfen. Ihren Ärger bekamen die anderen Frauen zu spüren.
    Dr. Rumholtz stand auf und schloß die schwere Tür der Zelle. Nur dumpf drang der Lärm in die engen Wände. Mit zitternden Händen aß Erika ihre Brote zu Ende.
    »I n einem Männerzuchthaus geht's ruhiger zu«, sagte Dr. Rumholtz. »Auch in anderen Blocks. Aber hier … wenn Sie wüßten, mit was für Typen und aus der Bahn geworfenen Weibern Sie zusammenwohnen. Es ist manchmal, als ob die Kloake der ganzen Stadt über diesen Korridor fließt …«
    »Ich weiß es. Die Helga, die eben so schrie, hat mich mit Anträgen verfolgt, eine Diebin machte mir vor, wie man der Herkenrath aus dem Zimmer ein Brot stiehlt, das Räuberliebchen wollte einen Kassiber hinausschmuggeln und mich an einen gewissen Hugo Kuller verkuppeln, der mich nach der Entlassung in Empfang nimmt. Und eine Mörderin wollte mich bestechen, mit ihr zu fliehen. Ich sollte ihr eine Spritze aus dem Revier stehlen, die sie scheintot machen sollte. Von der Kapelle aus wollte sie dann flüchten. Es kommen die verrücktesten Ideen.«
    »Davon wollte ich Sie erlösen.« Dr. Rumholtz goß die Tasse noch einmal voll Kaffee. »Ich habe heute einen Antrag eingereicht. Im Revier liegen neunundvierzig Kranke. Ich brauche eine Helferin. Ich habe Sie von der Direktion angefordert …«
    Die Tasse in Erikas Hand zitterte und klirrte. Sie stellte sie mit letzter Kraft auf den Tisch zurück. Dann warf sie die Hände vor die Augen und drehte den Kopf weg.
    Dr. Rumholtz erhob sich schweigend und ging aus der Zelle hinaus auf den Gang. Er wußte, was diese Mitteilung für Erika Werner bedeutete. Hinaus aus der grauen, schmucklosen Zelle. Wieder die Luft eines Krankenhauses atmen dürfen, wenn es auch nur das Krankenrevier eines Zuchthauses war. Wieder Kranke pflegen dürfen, injizieren, Verbände anlegen … Bestrahlungen machen, Massagen, Röntgenaufnahmen …
    Er ließ sie allein, um sich zu fassen. Böse sah Katharina Pleuel vom Ende des Flures hinüber. Dort standen drei Frauen nebeneinander und schrubbten in einem wiegenden Rhythmus den Flur.
    Nach über fünf Minuten trat Dr. Rumholtz wieder in die Zelle. Erika Werner hatte sich schnell gewaschen und gekämmt. Mit roten Augen, in deren Winkel noch die Tränen schimmerten, aber mit einem so glücklichen Lächeln, daß es Dr. Rumholtz den Hals zuschnürte, stand sie unter dem vergitterten Fenster. Ihre Mundwinkel zuckten, als sie sprach.
    »Warum tun Sie das für mich, Herr Doktor? Ich habe einen Menschen umgebracht … als Arzt …«
    »Das zu glauben, fällt mir schwer. Ich weiß, daß Sie einmal in einer Minute der Verzweiflung gesagt haben: Ich bin unschuldig … Das war die Wahrheit. Sonst spielen Sie Theater. Ein grausames Theater. Ich spüre es. Ich weiß nur nicht, warum …«
    »Fragen Sie auch nicht. Bitte!«
    »Ich werde es ohne Ihr Zutun herausbekommen. Zunächst kommen Sie zu mir. Morgen oder übermorgen wird die Direktion zustimmen.«
    Er reichte ihr die Hand hin. Zögernd ergriff sie sie. Da zog er sie ganz zu sich und drückte sie herzhaft.
    »Auf gute Zusammenarbeit, Kollegin!«
    »Sie tun mir weh …«
    »O Verzeihung.« Er lockerte den Griff. Sie schüttelte den Kopf.
    »Nicht mit der Hand … mit dem Mund. Kollegin … das ist wie aus einer anderen Welt. Das schneidet mich fast mittendurch …«
    Nachdenklich verließ Dr. Rumholtz die Zelle. Hinter ihm verschloß Katharina Pleuel sofort die Tür. Sie tat es mit Krachen und Schlösserrappeln, als sei Erika Werner eine gemeingefährliche Ausbrecherin. Rumholtz sah sich um. Sein Blick prallte am Ärger der Pleuel ab.
    »Wenn ich Klagen höre, gibt's eine saftige Meldung!« sagte er eindeutig. Die Pleuel lächelte böse.
    »Hübsch, jung und klug … so wat muß man sich reservieren, wat?«
    Dr. Rumholtz antwortete nicht darauf. Es war sinnlos. Fast atmete er auf, als er den Block III verließ und hinüber ging in sein helles, neues Revier mit den weiß lackierten Türen und dem Spruch, der an die Rückwand des langen Flures gemalt war:
    Kommet her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid …
    Es dauerte nicht zwei Tage, sondern drei Wochen, bis die Zuchthausverwaltung endlich die Genehmigung erteilte, daß die Insassin Nr. 12.456 als Helferin im Zuchthausrevier eingesetzt

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