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Dr. med. Erika Werner

Dr. med. Erika Werner

Titel: Dr. med. Erika Werner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Einspruch! Das war eine Suggestivfrage. Außerdem wird der Zeugin damit eine strafbare Handlung unterstellt.«
    »Dem Einspruch wird stattgegeben«, entschied der Vorsitzende.
    Der Verteidiger verneigte sich und nahm mit zufriedenem Gesicht Platz. Er hatte erreicht, was er wollte: die Zeugin verdächtig gemacht.
    Sein Anwaltskollege stand auf. »Ist es wahr«, fragte er Erika, »daß Sie im Zuchthaus einen Nervenzusammenbruch erlitten haben, als Sie erfuhren, daß Professor Bornholm geheiratet hat?«
    Erika nickte. Ihr Mund bewegte sich. Aber ihre Antwort war nicht zu hören.
    »Bitte, sprechen Sie lauter«, forderte der Vorsitzende sie auf.
    »Ja«, brachte sie schließlich heraus. Ihre Stimme war heiser vor Aufregung.
    »Ist es wahr«, fragte der Verteidiger weiter, »daß Sie nach Ihrem Zusammenbruch längere Zeit in Lebensgefahr geschwebt haben?«
    »Das ist wahr«, sagte Erika mühsam. In ihren Augen standen Tränen. Sie fühlte sich hilflos einer fremden, bösartigen Gewalt ausgeliefert.
    »Ihr Zusammenbruch war also schwer? Sie haben sehr darunter gelitten, daß Professor Bornholm eine andere Frau geheiratet hat? Sie wollten nicht weiterleben?« feuerte er seine nächste Frage ab.
    Erika antwortete nicht. Sie zitterte so sehr, daß ihr das Taschentuch aus der Hand fiel.
    »Sagen Sie die Wahrheit?« forderte der Anwalt.
    »J a«, stöhnte sie.
    »Und in dieser Stimmung«, sagte er langsam und deutlich, damit dem Gericht kein Wort verlorenging, »in dieser Verfassung haben Sie, die Zuchthäuslerin, ihre neue Aussage gemacht, mit der Sie einen unserer angesehensten Ärzte vernichten wollen!«
    Einen Augenblick herrschte Stille. Dann erfüllte ein Gewirr von Stimmen den Saal. Vergeblich verlangte der Vorsitzende Ruhe. Der Stoß hatte zu gut gesessen.
    Bornholm sah, wie der Anwalt wieder vor ihm Platz nahm und ein zufriedenes Lächeln hinter der vorgehaltenen Hand verbarg. Jetzt, dachte er. Das ist der richtige Moment für meinen großen Auftritt. Jetzt kann der Staatsanwalt sich seine Anklageschrift an den Hut stecken.
    Er sprang auf und hob die Arme. Seine Stimme übertönte den Lärm.
    »Halt!«
    Alle Gesichter wandten sich ihm zu. Es wurde still. Erwartungsvoll sahen ihn alle an. Sie schienen sich noch nicht der Tatsache bewußt zu sein, wie ungewöhnlich es war, daß ein Angeklagter so in den Ablauf des Prozesses eingriff.
    »Halt!« rief er noch einmal, leiser diesmal. Dann wandte er sich dem Vorsitzenden zu und sagte höflich: »Ich habe eine wichtige Aussage zu machen. Darf ich?«
    Der Vorsitzende warf dem Staatsanwalt einen fragenden Blick zu. Der nickte. Keine Einwände, hieß das. »Bitte.«
    Bornholm lächelte gewinnend. Es war das Lächeln, mit dem er immer Erfolg gehabt hatte. Ein herzliches, gewinnendes Lächeln, das den ganzen Saal einschloß.
    »Ich möchte sagen, daß mir das alles herzlich leid tut«, erklärte er. »Es tut mir leid, daß Sie alle irregeführt worden sind. Es tut mir leid, daß das Hohe Gericht in einer Sache bemüht worden ist, die eigentlich nur zwei Personen angeht: Fräulein Werner und mich. Vor allen Dingen aber tut mir leid, daß Fräulein Werner durch mich – durch meine Heirat so gelitten hat.«
    Er machte eine höchst wirkungsvolle Kunstpause und fuhr dann fort: »Fräulein Werner hat die Aussage, die zu diesem Prozeß führte, nur gemacht, weil sie mich liebte. Sie liebt mich auch heute noch.« Er wies mit großer Geste auf Erika, die zitternd und völlig benommen plötzlich im Mittelpunkt aller Blicke stand. Hilflos senkte sie den Kopf. Es war niemand im Saal, der diese Geste nicht als Bestätigung für Bornholms Worte genommen hätte. Niemand außer dem Staatsanwalt, der den großen Auftritt des Angeklagten mit widerwilliger Bewunderung verfolgte.
    Bornholm räusperte sich. Gehorsam wandten sich die Gesichter wieder ihm zu.
    »Ich kann Fräulein Werner die Unannehmlichkeiten nicht verzeihen, die sie mir bereitet hat«, fuhr er fort. Wieder machte er eine Pause, um die Spannung noch zu steigern. Dann stieß er zu.
    »Ich habe ihr nämlich nichts zu verzeihen. Soll ich ihr verzeihen, daß sie mich liebt? Soll ich ihr verzeihen, daß sie unglücklich war über meine Ehe mit Petra Rahtenau? Sie hatte ja recht. Meine Ehe war ein Irrtum. Meine Frau und ich – wir haben uns getrennt. Wir werden uns scheiden lassen. Fräulein Werner hatte recht. Ich habe ihr nichts zu verzeihen. Zu verzeihen hat ihr das Hohe Gericht, daß sie in einem Zustand vorübergehender

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