Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition)
müsse und dass er nicht viel bräuchte, nur für die S-Bahn und – der betreffende Passant unterbrach dann sein ungeschicktes Gestammel meist schon nach wenigen Worten: »Tut mir leid Kumpel, heute nicht.« Oft musterten sie ihn pikiert, als ob sie ein besonders hässliches Insekt durch eine Lupe betrachteten. Besonders dann, wenn er bei der Stelle mit dem Krankenhaus angelangt war.
Irgendwann ließ Singer die Vorgeschichte einfach weg und sprach die Leute direkter an, indem er sie ganz einfach um ein, zwei Euro bat. Oder vielleicht fünfzig Cent?
Das lief besser, nach etwa einer halben Stunde hatte er ganze fünfzehn Cent zusammen. Die hatte er von einem kleinen Mädchen bekommen – es war das Wechselgeld für die Schachtel Bonbons, die sich die Kleine an der nahestehenden Imbissbude gekauft hatte. Der Duft von Bratenöl, der von dort herüberzog, erinnerte Singer ein weiteres Mal schmerzlich daran, dass er mittlerweile einen ziemlichen Kohldampf schob.
Im Laufe der Zeit war er zur Hauptattraktion für eine kleine Gruppe jugendlicher Punker geworden, die auf den Bänken im Park herumlungerten. Schließlich kam einer von ihnen auf Singer zu, ein großer, schlaksig wirkender junger Kerl mit ungeschnürten, bunt besprühten Springerstiefeln und einer Unmenge Ringe im Gesicht. Singer versteifte sich – fest entschlossen, die fünfzehn Cent in seiner Hand bis zum Äußersten zu verteidigen. Der schlaksige Kerl baute sich grinsend vor Singer auf, schniefte ausgiebig und lächelte unbeeindruckt ein nicht besonders zahnreiches Lächeln:
»Neu hier, hm? Kommst’n her?«
»Ich, äh, bin gerade erst, … aus Altona, ursprünglich, also …«, stammelte Singer. Das lief ja prima.
»Hm, verstehe, bist ein ganz Frischer«, sagte der Punker – was immer das nun wieder heißen sollte. »Na denn mal willkommen in der Drecks-Marktwirtschaft, Alter«, fuhr er fort und grinste schief. Dann schniefte er erneut, zog genussvoll röchelnd den Rotz hoch und spuckte das Ergebnis seiner intensiven Bemühungen in die Büsche, wo es zähflüssig von einem Blatt herabtriefte. Dann hielt er Singer einen ziemlich schmutzigen Pappbecher hin. Leises Gekicher drang von der Parkbank herüber, auf der die restlichen Punks saßen. »Hier, damit geht’s besser, Alter!«, meinte der junge Kerl.
»Danke, … Mann«, gab Singer unsicher zurück. Für einen Moment grinste ihn der Punk an, mit einem Blick, der Singer ehrlich verblüffte. Die aufgesetzte Gleichgültigkeit schien weggeblasen und gab den Blick auf einen intelligenten Jungen mit großen, aufmerksamen Augen frei.
Dann verschwand der Gesichtsausdruck wieder, so plötzlich, wie er gekommen war.
»Bitte, Mann.« Der junge Kerl stopfte die Hände in die Seitentaschen seiner abgewetzten und mit bunten Aufnähern übersäten Lederjacke und stapfte zu der Parkbank zurück, wobei er eine Abkürzung direkt durch die niedrigen Büsche nahm, indem er diese einfach niedertrampelte. Daraufhin brach auch die restliche Truppe auf und zerstreute sich im Park, unter lautem Gejohle und dem Klirren ihrer Billigbier-Flaschen – zweifellos irgendein Gesöff, das Singer selbst während seiner schlimmsten Zeiten nicht im Traum angerührt hätte. Als er noch ein vernünftiger Angestellter und besonnener Alkoholiker gewesen war. Als er noch nicht, als mittelloser Penner verkleidet, auf der Flucht vor seinem einstigen Arbeitgeber gewesen war wie Harrison Ford als der verdammte Dr. Kimble .
Der Punker hatte recht gehabt, es ging tatsächlich besser mit dem Plastikbecher, der offenbar das fehlende Accessoire zu Singers ansonsten recht stimmiger Kostümierung zu sein schien. Und es ersparte ihm Erklärungen – man hielt den Leuten einfach den
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