Drachenblut
eine Hilfe waren und sich völlig umsonst für sie opferten. Obwohl sie vor Ermüdung kaum einen klaren Gedanken fassen konnte, klaubte sie Argumente zusammen, um die Feuerechsen zum Davonfliegen zu animieren.
»Lorana!« Im Heulen des Sturmes ging Colfets heisere Stimme beinahe unter; die Warnung, die er ihr zurufen wollte, kam ohnehin zu spät. Sie hätte nichts mehr unternehmen können. Eine Riesenwelle schob sich unter das Boot und hob es in die Höhe. Dabei krängte es so schwer, dass es um ein Haar kenterte.
In diesem Moment wusste Lorana, dass sich der Treibanker losgerissen hatte. Sie lieà den Lenzeimer fallen. Das einzige Stück, das sie jetzt noch als Sturmanker nutzen konnten, war der Mast der Barkasse. Sie bückte sich und begann die Verankerungen zu lösen, die ihn sicherten, während die Barkasse wie wahnsinnig hin und her geschleudert wurde.
Endlich hatte sie den Mast am Heck des Bootes festgezurrt und schickte sich an, ihn über Bord zu werfen. Als sie sich bückte, um den Mast über die Bordwand zu wuchten, traf eine gewaltige Woge das Boot; der Bug bäumte sich steil auf, Lorana, die achtern mit dem klobigen Mast herumfuhrwerkte, verlor das Gleichgewicht und fiel über Bord.
Sowie sie im Wasser landete, sah sie die Barkasse nicht mehr. Eine Welle schlug über ihr zusammen, und der Sog riss sie in die Tiefe. Nach Luft schnappend tauchte sie wieder auf, während die Eiseskälte sie buchstäblich lähmte.
»Lorana!«, hörte sie Colfets Schreien.
»Hier bin ich!«, schrie sie zurück, doch der Sturm verschluckte ihre Stimme.
Ãber ihr entstand ein Wirbel aus braunem und goldenem Geflatter; die beiden Feuerechsen schlugen wie wahnsinnig mit den Schwingen, um nicht von den Böen ins Wasser gedrückt zu werden.
»Verzieht euch!«, brüllte Lorana. »Ihr könnt mir nicht helfen!«
Garth und Grenn ignorierten ihre Aufforderung; sie tauchten nach unten, krallten die Klauen in Loranas Haar und zerrten verzweifelt daran. Es tat weh, doch der körperliche Schmerz war nichts im Vergleich zu Loranas
Kummer, die ohnmächtig mitansehen musste, wie ihre beiden Lieblinge ihr Leben für sie aufs Spiel setzten.
»Verschwindet endlich!«, schrie sie hysterisch und mühte sich ab, die kleinen Tatzen aus ihrem Haar zu lösen. Dann stieà sie schmerzhaft mit einem im Wasser treibenden Gegenstand zusammen, und instinktiv klammerte sie sich daran fest. Es war der Mast. Gegen die Tränen ankämpfend, schloss Lorana die Augen. Colfet musste das Seil gekappt haben, mit dem der Mast am Boot vertäut gewesen war, in der Hoffnung, sie könnte ihn als Schwimmhilfe benutzen. Ein Wimmern rang sich aus ihrer Kehle. Colfet hatte sich selbst geopfert, um ihr das Leben zu retten.
Ich bin es nicht wert, sagte sie sich in Gedanken. Colfet wird sterben, Garth und Grenn werden sterben â ganz umsonst. Denn ich bin so oder so verloren. Ihr Opfer hat sich nicht gelohnt.
Die Arme um den Mast geschlungen, rang Lorana nach Luft. Rings um sie her kochte und wogte die See. In der Ferne spalteten Blitze den düsteren Horizont. Sie wusste, dass ihr Schicksal besiegelt war.
»Garth«, flüsterte sie mit tonloser Stimme, während sie mit mattem Blick nach oben sah. »Grenn. Ihr müsst mich jetzt verlassen. Es hat keinen Sinn mehr. Sucht euch einen anderen menschlichen Partner. Ich werde sterben, und ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass auch euer Leben zu Ende sein soll.«
Als Antwort spürte sie eine Wärme, die von den beiden Echsen ausging. Die beiden versuchten immer noch, sie zu unterstützen, sie wollten ihr Los mit ihr teilen â selbst wenn dies ihren eigenen Untergang bedeutete.
Eine Anwandlung von Zorn übermannte Lorana. Wenn die Feuerechsen bei ihr blieben, war das deren sicherer Tod. Sinnlos und eine Verschwendung von kostbarem Leben.
»Ich befehle euch, dass ihr verschwindet!«, kreischte Lorana und übertönte sogar das Brausen des Sturms. Innerlich verhärtete sie sich, schottete sich gegen jedwedes zärtliche Gefühl ab und raffte all ihre verbliebenen Kräfte zusammen. Mit der ganzen Wucht ihrer Empörung schleuderte sie den Echsen ihren Befehl entgegen. Verschwindet!
Garth und Grenn stieÃen erschrockene Schreie aus; ihr schrilles, konfuses Schnattern füllte die Luft. Ein gewaltiger, gegabelter Blitz zuckte über den nachtschwarzen,
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