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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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leise Stimmengewirr wurde hier und da von Hundegebell oder dem Meckern einer Ziege unterbrochen.
    Rechts von uns erhoben sich die mächtigen weißen Festungsmauern von Biela Viezha mit ihren flackernden Feuern, die uns zeigten, wo die Wachtposten saßen.
    Ich schickte Morut vor, ich musste wissen, wohin man Thorgunna gebracht hatte und wo die Schiffe waren.
    »Du hast bestimmt schon einen klugen Plan«, sagte Gisur. Finn knurrte nur und zog seinen Nagel aus dem Stiefel.
Er kannte meinen klugen Plan, und als ich ihn erklärte, rieb Gisur nur seinen struppigen Bart und runzelte die Stirn. Doch nachdem er und ein paar von den anderen ihre Meinung zum Besten gegeben hatten, wurde uns klar, dass mein Plan – ob er nun klug war oder nicht – der einzig mögliche war.
    Also warteten wir. Das Tageslicht kroch langsam herauf, konnte sich aber gegen den frostigen Dunst über dem Wasser noch nicht durchsetzen. Es wurde wenig gesprochen, nur ab und zu hörte man ein Brummen, während die Männer Riemen festzurrten und ihre Kettenhemden zurechtrückten. Sie besaßen nur noch das, was sie am Leib trugen oder in Händen hielten, alles andere war von Wladimir mitgenommen worden.
    Doch mehr brauchten sie im Moment auch nicht, und als Morut zurückkam, hatte auch ich alles, was ich brauchte. Ich sah meine Männer an und suchte nach den passenden Worten, aber meine Kehle war wie zugeschnürt. Also sah ich nur auf das eingewickelte Bündel am Boden, dann sah ich die beiden Männer an, die es ziehen würden, und sie verstanden. Die Augen der anderen blitzten wild entschlossen.
    »Heya«, brummte Finn leise und steckte seinen Nagel in den Mund. Dann brachen wir auf und schlüpften blitzschnell und leise wie ein Wolfsrudel im Morgendunst über die Brücke.
    Nachdem ich Morut erklärt hatte, was ich zu tun gedachte, hatte er ganz richtig bemerkt, dass es eigentlich gar kein richtiger Plan sei. Wir würden schnell und überraschend angreifen, denn wir konnten uns hinter Zäunen und Zelten gut verstecken, die uns zwar schützten, andererseits aber nicht genug Platz für einen Schildwall bieten würden. Wir würden alles töten, was sich uns in den Weg stellte,
dann Thorgunna herausholen, uns ein Schiff nehmen und wie wild rudern, um das Gewirr aus Wasserläufen zu erreichen, die alle zum Asowschen Meer führten.
    »Einfach und brutal – aber ein richtiger Plan sieht anders aus«, sagte Morut kopfschüttelnd.
    »Ich find ’s gut«, widersprach Finn trotzig.
    »Was meine Meinung nur bestätigt«, erwiderte Morut.
    Wir rannten zwischen den Häusern und Jurten hindurch, sprangen über geflochtene Weidenzäune, erschreckten Pferde, sodass sie auseinanderstoben, hieben hier und da auf eine Ziege ein und stapften durch den aufgewühlten Morast aus Erde und Mist.
    Die Festung von Sarkel, die Weiße Burg, stand blass und undeutlich in der Ferne, wie ein riesiger Eisberg in einer schwarzen See. Rundherum Jurten, ein paar Steinhäuser, Einfriedungen mit windschiefen Zäunen, dazu die festen Rahmenzelte von Flussschiffern, die hier überwinterten. Irgendwo am Fluss musste auch Wladimir mit seiner Mannschaft fröstelnd auf das Tageslicht warten, um die Schiffe zu beladen und zu verschwinden, ehe man sich in der Garnison geeinigt hatte, was man mit ihnen machen wollte.
    Wir waren ein Rudel Wölfe auf der Jagd, aber wir wollten keine Hühner fangen. Wir hatten es auf die Hunde abgesehen.
    Meine Aufmerksamkeit war so sehr von Thordis und dem kleinen Eldgrim in Anspruch genommen, weil ich sehen wollte, ob sie auch wirklich in die richtige Richtung gingen, wo nicht gekämpft werden würde, dass ich in eine Herde nervöser Pferde geriet und mir einen Weg durch die Tiere bahnen musste, um die beiden nicht aus den Augen zu verlieren.
    Plötzlich stieß ein übermütiges Pony mich mit dem Hinterteil,
und ich wurde mit Wucht gegen eine Jurte geworfen. Ich hörte es im Gestänge krachen, und innen entstand ein Tumult. Licht flammte auf, der Vorhang an der Türöffnung wurde zur Seite geschoben, und eine dunkle Gestalt überschüttete mich mit Beschimpfungen. Ich fluchte, und die Frau spuckte nach mir; aber als ich ihr zeigte, was ich in der Hand hatte, stieß sie einen Angstschrei aus und verschwand im Inneren.
    Ich war von den anderen getrennt worden. Ich kniff angestrengt die Augen zusammen und rannte weiter, ehe andere Jurtenbewohner womöglich mit Waffen erschienen. Dann hörte ich ein Wolfsgeheul, das ich gut kannte: Finn hatte unsere Feinde

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