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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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lachte nur und drehte sein müdes Pony herum. »Na ja, wir werden uns beeilen müssen, das stimmt schon«, gab er zu. »Denn Wladimir wird dich zurückhaben wollen, weil du den Weg zu Attilas Schatz kennst. Und Sigurd Axtbiss wird es auch nicht egal sein, was mit Krähenbein
passiert. Aber wir werden schneller sein, und was können sie noch machen, wenn Sveinald euch erst mal hat?«
    Zu gern hätte ich ihm eine passende Antwort hingespuckt, schnell und giftig wie von einer Schlange, aber nach allem, was er gesagt hatte, klebte mir die Zunge am Gaumen fest.
    Er hatte recht. Sie hatten einen guten Vorsprung, und selbst wenn der kleine Wladimir in seiner Gier nach Silber die Pferde zu Tode prügelte, würde er uns nicht rechtzeitig einholen. Olaf erriet meine Gedanken und duckte sich tiefer in seinen Mantel, während der Wind pfiff und das gefrorene Gras raschelte.
    Doch die Eingeschworenen würden kommen – unausweichlich, entschlossen und grausam. Daran erinnerte ich Thorkel, gleichzeitig machte ich ihn darauf aufmerksam, dass er seinen Schwur gebrochen hatte. Er blickte finster, denn jetzt erinnerte er sich wieder an die Worte, und ich drehte das Messer in der Wunde noch um.
    »… möge er uns bis in die neun Reiche und darüber hinaus verfluchen, wenn wir diesen Schwur gegeneinander brechen.«
    Er zuckte zusammen und sah hinüber zu Martin. Ich ahnte, dass der Mönch ihn beschwatzt hatte, dass er, wenn er dem weißen Christus folgte, vor Odin sicher sei. Jetzt dachte er vielleicht daran, dass Christus schon sehr große Kräfte haben müsse, wenn er ihn auch vor dem Zorn der Eingeschworenen retten sollte.
    Und plötzlich wurde mir klar, dass die Macht dieses Schwurs ja auch mir galt. Bisher war ich immer die treibende Kraft gewesen – ich war es immer gewesen, der sein Leben riskiert hatte, um die Dummköpfe zu retten, an die ich mich gebunden hatte. Und ich hatte akzeptiert, dass es nun einmal so sein musste. Jetzt aber war ich derjenige, der sich auf den Schwur verlassen musste, und zum ersten
Mal in meinem Leben spürte ich mit unumstößlicher Sicherheit, dass ich nicht allein war, und mir wurde warm ums Herz.
    Er sah mich durch meinen vereisten Bart hindurch lächeln, und mit finsterem Gesicht trieb er sein Pony wieder an die Spitze des Zuges.
    Danach wurde es still. Der kurze Tag neigte sich seinem Ende entgegen, und vor uns dehnte sich die Steppe, endlos, gesichtslos, bis auf ein paar Wolfsspuren, die alle neugierig machten. Aber man konnte meilenweit sehen, und in der kalten blauen Luft bewegte sich nichts.
    Als die Sonne unterging, sah es aus, als werde sie von der Kälte zu einem breiten orangeroten Pfeiler zusammengedrückt, der vom Rand der Welt aus den Himmel zu stürzen schien. Wir machten in einem Birkenwäldchen halt, das rot im Abendlicht dalag.
    Hier gab es Feuerholz, obwohl es so hartgefroren war, dass man es kaum schlagen konnte. Thorkel hatte seine Tunika mit Gras ausgestopft, das ihn beim Marschieren warm gehalten hatte und jetzt trocken genug war, um ein Feuer damit anzuzünden.
    Es gab also etwas Wärme und auch etwas zu essen, aber die Kälte drang durch alles hindurch, und die Pferde wimmerten und scharrten hungrig im Schnee, denn man hatte zu wenig Futter für sie mitgenommen.
    »Die machen ’s nicht mehr lange«, murmelte Heg, und Drumba sagte, er solle schweigen.
    »Bis Kiew schaffen wir es«, krächzte Martin, der dicht am Feuer hockte. Thorkel und die anderen löffelten Haferbrei oder starrten wortlos ergeben in die Flammen.
    »Es war einmal ein reicher Mann«, sagte Krähenbein leise, »der lebte vor langer Zeit in Kiew, aber fragt mich nicht, wann …«
    »Das reicht«, warnte Martin und bekreuzigte sich. »Deine Geschichten hat dir der Teufel eingegeben, denn wie könnte ein Bengel wie du sonst so viele kennen und sie so gut erzählen?«
    »Mir gefallen sie«, widersprach Heg, und Thorkel brummte.
    »Wen interessiert, was dir gefällt?«, sagte er. »Du scheinst dich für einen Menschen zu halten.«
    »Er ist ein Mensch, genau wie ich«, knurrte Drumba. »Du hältst uns wohl immer noch für Sklaven, doch das ist jetzt vorbei.«
    »So kämpfen alle Hunde«, sagte Krähenbein seufzend und schüttelte den Kopf. »Es gab mal eine Zeit, da war das anders.«
    »Nennst du mich einen Hund, du Balg?«, donnerte Tyrfing.
    »Wenn es kläfft, ist es ein Hund«, sagte Krähenbein, und ich wünschte mir, er würde endlich still sein, denn mein Kopf würde weitere Schläge nicht

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