DrachenHatz
so hilfsbereit, dass ich, ohne auch nur ein Sekündchen nachzudenken, herausplatzte: »Du wolltest ihn lediglich verletzen, richtig? Aber es ist schiefgegangen. So genau lässt sich ein Lenkdrachen halt nicht steuern. Und nun ist er tot.«
Du lieber Gott, direkter konnte man mit der Tür wirklich nicht ins Haus fallen. Dabei hatte ich einen derartigen Frontalangriff – Axels Worte von der Krankheit noch im Ohr – überhaupt nicht geplant.
Sie fixierte mich über den Rand ihrer Tasse hinweg. Schweigend und mit halb geöffnetem Mund. Dann schüttelte sie mitleidig den Kopf. Und das war nicht gespielt, so mein spontaner Eindruck. »Hanna«, drängte sie sanft, »was genau ist passiert? Erzähl doch.«
Das tat ich dann. Mit allen Vermutungen meinerseits.
Ihre Augen wurden groß und größer. Hektikflecken erschienen auf ihren Wangen, und ihr Adamsapfel hüpfte unkontrolliert auf und ab. Sie war empört, entsetzt, stritt alles ab, hielt mich abwechselnd für krank, paranoid, traumatisiert, schizophren und hirngeschädigt. Es sei einfach lächerlich zu behaupten, sie habe Hauke in die Herkulesstaude gestoßen. Es sei schlechterdings völlig absurd, ihr zu unterstellen, sie habe um die blutverdünnende, leberschädigende Wirkung der Schmerzmittel gewusst, und es sei total aus der Luft gegriffen, wenn ich meinte, sie habe das Essen versalzen. Greta kriegte sich gar nicht mehr ein, und als ich auch noch Almuth ins Gefecht führte, tat sie so, als hätten mich sämtliche guten Geister verlassen, als sei ich schwer krank bis bösartig und nicht sie.
Es war schon seltsam. Sie tobte, kreischte, flüsterte abwechselnd, und dies alles war nur schwer auszuhalten. Doch sie überzeugte mich nicht, obwohl ich ihr durchaus abnahm, dass sie ihre Version der Ereignisse selbst glaubte, wie Axel mir erklärt hatte. Das gehörte schließlich zum Krankheitsbild. Ein Unrechtsbewusstsein war nicht vorhanden.
Die Situation eskalierte jedoch vollends, als ich ihr auch noch vorwarf, die Sache mit den Drohanrufen, der Ratte sowie mit der Verwüstung ihrer Wohnung selbst beziehungsweise via Komplizen inszeniert zu haben. Daraufhin begann sie zu lamentieren wie ein orientalischer Marktschreier. Nie wieder würde sie auch nur ein Wort mit mir wechseln, das sei ja einfach ungeheuerlich; ihr gehe es so schlecht, und ich wagte es auch noch, ihr mit Vorwürfen zu kommen, die nur jemand ernst nehmen könne, dem das Hirn komplett fehle. Sie fürchte sich zu Tode, zittere mittlerweile bei jeder Kleinigkeit vor Angst, traue sich nicht mehr, vor die Tür zu treten, und habe sogar noch ein drittes Schloss anbringen lassen – und ich erdreistete mich zu behaupten, dass sie selbst … An dieser Stelle brach sie in Tränen aus, heulte und schluchzte hemmungslos und kriegte sich überhaupt nicht wieder ein. Sie habe mich als Freundin betrachtet, ja als Beschützerin sogar, und dabei sei ich die ganze Zeit der Auffassung gewesen, sie mache allen etwas vor …
Eine geschlagene halbe Stunde ging das so, und hätte ich es nicht besser gewusst, ich hätte ihr geglaubt. Sie legte dermaßen viel Gefühl in ihren Auftritt, kreischte mit so viel Verve, dass ich nicht anders konnte, als sie zu bewundern – heimlich, still und leise selbstverständlich. Trotzdem musste ich es einfach wissen. »Hast du Thomas losgeschickt, um mich zu verdreschen und mir Angst einzujagen?«
Ihre Reaktion war außerordentlich. Erst glotzte sie nur und gab die völlig Sprachlose. Dann tippte sie sich stumm an die Stirn und schüttelte dabei den Kopf. Und dann fing sie an zu lachen. Laut und hysterisch. Sie lachte und lachte – bis ich ihr eine runterhaute. Da war sie still.
Wir maßen uns mit feindseligen Blicken. Sie war völlig aufgelöst, ich kühl bis in die Haarspitzen.
»Das ist es also«, sagte sie schließlich mit abgrundtiefer Verachtung in der Stimme, »du bist eifersüchtig. Schlicht und ergreifend eifersüchtig. Das ist es also«, wiederholte sie. Dann stand sie auf. »Aber um deine Frage zu beantworten, Hanna Hemlokk: Nein, ich habe Thomas zu nichts angestiftet. Und weißt du auch, weshalb? Weil wir kein geheimes Verhältnis haben. Darum. Ich mache ihn dir nicht streitig. Nimm ihn. Ich mag ihn zwar, aber ich will ihn nicht.« Sie ging zur Tür, drehte sich dort jedoch noch einmal um. »Und lass mich in Zukunft bitte in Ruhe, ja? Ich werde verfolgt, gehetzt, und jeder normale Mensch sieht das, nur du augenscheinlich nicht. Doch ich kann deine haltlosen
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