Drachenkampf
fragte Marciac. »Wird man einen Anschlag auf Seine Majestät verüben?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Agnès.
»War auch vom Alchemisten die Rede?«
»Nein. Aber ich glaube, ich kenne die Beweggründe der Königin … Nachdem sie und die Herzogin weg waren, habe ich mich in das Zimmer geschlichen, auf der Suche nach dem, was die Herzogin ihr zu lesen gegeben hatte, um sie zu überzeugen. Und ich bin fündig geworden. Es handelte sich um das Pamphlet, das der Geheimgesandte der Königinmutter im Innenfutter seines Wamses versteckt hatte.«
»Das Pamphlet, das den König beschuldigt, die Königin verstoßen zu wollen, weil sie ihm noch keinen Erben geschenkt hat?«, fragte La Fargue.
»Und in dem behauptet wird, dass sich der König deshalb sogar mit dem Papst ins Benehmen gesetzt hat, ja.«
»Also lässt sich die Königin in ein Komplott gegen den König hineinziehen, weil sie fürchtet, verstoßen zu werden …«
»So ist es …«
»Aber der König würde sie nie verstoßen!«, wandte Marciac ein. »Anne ist die Schwester des spanischen Königs. Das wäre ein Affront! Es würde Krieg bedeuten!«
»Es reicht, wenn die Königin es glaubt«, sagte Agnès. »Oder vielmehr reicht es, wenn die Herzogin es sie glauben gemacht hat …«
Der Hauptmann der Klingen nickte. »Gut«, sagte er, »ich muss mit Tréville sprechen. Und du, Agnès, geselle dich wieder zur Königin und bemühe dich, sie nicht aus den Augen zu lassen. Der Ball wird bald eröffnet.«
Leprat durchbohrte eine Syle, die ihm zwischen den Beinen durchhuschte, dann hob er sie mit der Spitze seines Degens auf und hielt sie in den Lichtschein seiner Laterne. Wulstige rote Arabesken zierten den schwarzen Rücken des Salamanders, der genauso groß und schwer war wie eine Ratte von stattlicher Größe. Die Syle zappelte im Todeskampf an der Degenspitze. Doch anstatt sich zu befreien, fauchte sie und biss und kratzte.
Miststück , dachte Leprat, als er seine Klinge mit einer ruckartigen Bewegung wieder befreite, durch die das Reptil weggeschleudert wurde.
Die Syle schlug gegen eine Wand und dann mit einem dumpfen Geräusch am Boden auf. Doch sie lebte noch. In der Dunkelheit zischten gespaltene Zungen. Sie kündeten die Jagd an, die der Musketier erwartete. Krallen klapperten, schuppige Bäuche streiften den Boden. Von allen Seiten stürzten sich Sylen auf ihre mit dem Tode ringende Artgenossin, um sie zu verschlingen. Das Jagdfieber und der Blutgeruch taten bald ihre Wirkung. Die schuppigen Rücken fingen an zu leuchten, und das wütende Kampfgetümmel, das bis dahin unsichtbar gewesen war, erschien in schummrigem Dämmerlicht. Die zerfleischte Syle war nicht das einzige Opfer in dieser bestialischen Raserei. Einige andere, die sich im Getümmel verletzt hatten, wurden angegriffen und von denjenigen, die größer und unerbittlicher waren als sie, verschlungen.
Leprat wandte sich von dem Gemetzel ab.
Mit dem Degen in der Hand setzte er seine Erkundung der Unterirdischen Gänge des Schwarzen Turms fort, Gänge, deren Ausmaße er noch immer schwer einschätzen konnte. Sie waren weitläufig, vielleicht sogar von immenser Ausdehnung, auf jeden Fall bei Weitem größer als die zwei oder drei Kellergewölbe, die er sich unter einem mittelalterlichen Festungsturm erwartet hatte. Die meisten Gänge waren niedrig und mit Steinplatten ausgekleidet, und runde, kurze Säulen stützten die Gewölbebögen. Menschenleer und nackt, heimgesucht von den hastigen Bewegungen der Sylen, die sie bevölkerten, von modrigen Lachen durchzogen, die der Musketier mit seinen Stiefelsohlen aufwühlte, hatten sie die Jahrhunderte überdauert in der Finsternis einer abgrundtiefen Stille.
La Fargue ließ Tréville eine Nachricht überbringen und traf ihn dann nach dem Bankett im Verborgenen. Er informierte ihn über die Unterredung, bei der Agnès die Königin und die Chevreuse ertappt hatte, beteuerte, dass nun kein Zweifel mehr daran bestehe, dass ein Komplott unmittelbar vor seiner Umsetzung stand, und drängte darauf, dass die Sicherheitsvorkehrungen für den König bis zum Morgen verschärft würden.
Vergeblich.
»Ich werde weder meine Patrouillen noch meine Wachposten verdoppeln«, erwiderte der Hauptmann der Musketiere.
»Die Sicherheit des Königs ist bedroht, Monsieur.«
»Wer weiß? Aber ich kann nicht gegen den Willen Ihrer Majestät handeln. Sie war es, die verlangt hat, dass meine Musketiere so wenig Präsenz zeigen wie möglich, um zu demonstrieren, wie
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