Drachenkampf
gerechten Strafe entkommt, nicht einmal dann, wenn der Grund dafür darin liegt, Seine Majestät vor einem Komplott zu schützen …«
Bevor er seinen Hut aufsetzte, sah Richelieu La Fargue noch einmal scharf an und fügte hinzu: »Habt Ihr verstanden, Hauptmann? Ich hoffe, Ihr wisst, was es heißt, wenn man vom Undank der Fürsten spricht?«
»Ach, verflixt«, fluchte Marciac, als er den Flüchtigen vom Dach auf ein anderes quer über eine Gasse springen sah. Er wusste nicht, ob Agnès ihm folgte, drosselte sein Tempo aber nicht, sprang seinerseits ins Nichts und landete so gut es ging auf der anderen Seite.
Als er beinahe das Gleichgewicht verlor, fluchte er abermals: »Verdammt!«
Dann nahm er die Verfolgung im prasselnden Regen wieder auf …
… in der Hoffnung, dass er hinter Guéret herrannte, dem Spion der Königinmutter, der zur Herzogin von Chevreuse entsandt worden war. Vorausgesetzt, die Italienerin hatte nicht gelogen. Vorausgesetzt, sie hatten sich in dem Gasthaus nicht im Zimmer geirrt. Vorausgesetzt, dieser Kerl war der richtige. Aber nichts davon war sicher.
Angesichts zweier Unbekannter, die seine Sachen durchwühlten, hatte der andere sicher nicht den Helden spielen wollen, sondern lieber gleich die Beine in die Hand genommen. Und nun rannte er, als sei ihm der Teufel persönlich auf den Fersen, mitten in einer Gewitternacht über nasse Dächer, auf die Gefahr hin, dass er sich den Hals brach. Nicht gerade das Verhalten von jemandem, der ein reines Gewissen hat. Aber dennoch. Falls dieser Bursche nicht Guéret war, dann machte Marciac gerade einen großen Fehler …
Außer Atem, vollkommen durchnässt und das Gesicht dem prasselnden Regen ausgesetzt, blieb er kurz stehen und hielt nach dem Flüchtigen Ausschau. Kurz nahm er seine Silhouette im Licht eines zuckenden Blitzes wahr. Der Wahnsinnige ließ nicht nach. Er rannte noch immer davon und sprang scheinbar über ein ziemlich großes Hindernis. Der Gascogner spürte, wie die Wut in ihm hochstieg, nahm die Verfolgung wieder auf und hätte beinahe, indem er hineingefallen wäre, festgestellt, um was es sich bei dem Hindernis handelte. Doch im letzten Moment blieb er am Rand des Abgrunds stehen. Diesmal handelte es sich um kein schmales Gässchen, auch nicht um eine Straße – sondern um einen Hinterhof, der sich wie ein finsterer Schacht vor ihm erstreckte.
»Verflixt und zugenäht!«, fluchte Marciac wütend.
Den Abgrund zu umgehen, hieße jedoch, den anderen entwischen zu lassen. Genauso, wie zu lange zu warten.
Der Gascogner zögerte und machte dann ein paar Schritte rückwärts, sich selbst, das Schicksal und die Dummköpfe verfluchend, die mitten in der Nacht bei sintflutartigem Regen über Dächer flüchten mussten. Er atmete tief durch. Verfluchte sich noch einmal.
Und stürmte los.
Der Sprung Marciacs, der mit den Armen ruderte und mit den Beinen strampelte, fiel nicht gerade elegant aus. Aber es gelang ihm, fünf Meter gähnenden Abgrund zu überwinden und auf dem Grat eines Schrägdachs zu landen.
Doch danach verschlechterte sich die Lage. Das Dach war nämlich ziemlich schräg, und außerdem war es nass und damit ausgesprochen glitschig. Zu allem Überfluss warteten die meisten Ziegel nur darauf, sich zu lösen.
Wie ein Seiltänzer in einer Sturmbö schwankte Marciac mit rudernden Armen von einem Bein aufs andere.
»Oh, verflucht …«
Er kippte um, landete auf dem Hintern und rutschte schneller und schneller die Dachschräge hinunter. Dabei riss er die Dachziegel mit, die unter seinen Absätzen ins Rutschen gerieten.
»Mist-Mist-Mist-Mist …«
Dann kam der Abgrund.
»Miiiiiiist!«
Wurmstichige Bretter bremsten krachend seinen Fall, und eine Schicht Heu dämpfte seinen Aufprall, als er unsanft am Boden eines Stalls landete. Marciac tat sich trotzdem ziemlich weh. Er verwünschte die Welt und rollte sich noch immer wütend und mit schmerzverzerrtem Gesicht zur Seite.
Doch das hätte er sicher nicht getan, wenn er geahnt hatte, dass er dadurch mit der Nase … im Mist landete.
Als sie Marciac fallen sah, fing Agnès’ Herz an zu rasen.
»Nicolas!«
Dann machte sie selbst einen Satz über den Hof, landete jedoch besser als der Gascogner und schaffte es, sich vorsichtig der Dachkante zu nähern. Sie spähte hinunter und rief besorgt: »Nicolas! Nicolas!«
»Bin hier. Ganz unten.«
»Hast du dir was gebrochen?«
»Glaube nicht, nein.«
»Wie fühlst du dich?«
Als Zeichen seiner Unversehrtheit gewann seine
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