DrachenKind: Gegen die Finsternis (German Edition)
Spiegel an. Schon wieder gewachsen. Über die Schultern gewuchert wie Unkraut. Er schloss die Augen und stellte sich eine Schere vor. Nach fast drei Minuten waren die Haare kurz geöffnet und gekämmt worden, zu neuen, dünnen Zöpfen geflochten und etwa fingerlang. Sauber. Eric sah Jack zufrieden an. Der meinte nur dass ihm die wilde Mähne vorher besser gefallen habe. Eric machte ihn auf Dinge wie Läuse aufmerksam, die ihn unter Umständen zu einer Glatze zwingen würden. Jack lachte, wies Eric darauf hin dass der die kleinen Biester einfach verbrennen könnte, aber dann sah er das Unheil vor sich und gab auf.
„Komm, Mia und Seath sind schon auf der Treppe, ich kann sie hören…Schnell!“
Eric hielt Jack die Tür auf und zusammen liefen sie den anderen beiden hinterher.
Draußen war die Sonne hinter den Wolken hervorgekommen, verteilte wieder spätsommerliches Licht über diese bedrohte Welt, in der sie beide eine Aufgabe zu erledigen hatten. Eric verspürte schon wieder den Drang auf die Jagd zu gehen, der letzte kleine Happen war nicht das Wahre gewesen. Er konnte richtig merken, wie sich seine Muskeln anspannten und seine Sinne sich schärften. Jeder Geruch eines Wesens in der Umgebung und jede kleine lebendige Bewegung zogen seine Aufmerksamkeit auf sich, er witterte den Schweiß und die Anstrengung all der Menschen in der Umgebung, welche noch immer von Chire unterrichtet wurden und hart auf der Wiese trainierten. Das alles verschwand langsam, als Mia mit zwei riesigen Bechern Schokolade auf sie zukam und sie aufforderte, in aller Ruhe zu trinken, während sie sich über die Unterhaltung mit den Tieren beraten würden. Sie setzten sich am Fuße der langen Treppe auf die Stufen.
Eric stellte gleich nach dem ersten Schluck des cremigen, dickflüssigen Wunders die Frage, deren Antwort ihn am meisten interessierte.
„Wusstet ihr, dass Jack die Seele eines Tigers hat?“
Einen Moment lang sagten weder Mia noch Seath etwas, dann fragte Seath:
„Glaubst du, dass wir es wussten?“
„Ich bin nicht sicher, habe mich nie darum bemüht eure Gedanken auszuspionieren. Wusstet ihr es denn?“
„Ja, ich wusste es, aber ich habe Jack versprochen es dir nicht zu sagen. Mia weiß es erst seit ein paar Wochen.“
Eric nickte. Dann dachte er an seine Fähigkeit sich in vielleicht Tier zu verwandeln. Bei der Vorstellung dass vielleicht jeder Spion diese Fähigkeit beherrschen könnte, wurde ihm schlecht. Mia las seine Gedanken.
„Ihr habt noch nicht einmal die Hälfte der Kreaturen kennen gelernt die sich in dieser Welt aufhalten. Und leider kamen wir ja nicht dazu euch mehr zu berichten…Wartet, bis wir gegen die andere Seite des Spiegels antreten, dann werdet ihr sehen. Und jetzt eine Frage zu deinem Traum, Eric: Was hast du da gesehen, ich erinnere mich nicht mehr richtig…Eine große Schale? In der man die Welt sehen konnte?“
Eric stellte seine Tasse langsam auf einer Granitstufe ab. Ja. Warum eigentlich nicht? Keiner hatte je daran gedacht, dass dies vielleicht der Eingang sein konnte. Vielleicht würden sie dadurch Zugang erhalten? Er bestätigte Mias wage Erinnerung mit ein paar Bildern und Gefühlen. Sie nickte.
„Nur, wenn du hinein siehst…Was das bedeutet weiß ich nicht…Und es ist keine Stimme, nur das Gefühl der Worte. Nun gut…wir werden sehen, wann du herausfindest, was es bedeutet. Seid ihr fertig?“
Jack und Eric nickten. Mia und Seath nahmen sich jeder einen der Becher und reinigten sie schnell und gründlich mit ihren Gedanken. Dann verstaute Seath sie in dem riesigen Rucksack, den sie mithatte. Eric erinnerte sich an das Gepäck einer marschierenden Marinetruppe. So in etwa hatten ihre Rucksäcke auch ausgesehen, nur aus Nylon und nicht aus festem natürlichem Stoff. Sie begaben sich auf die Wiese, wo die Menschen, welche ihren Geist schon kannten und die Kampfkunst schon vor mehreren Jahren vervollkommnet hatten, in großen Kreisen saßen und meditierten. Eric wunderte sich nicht darüber, dass es ältere waren, fast keine jüngeren Elternpaare oder gar Kinder. Er hatte seinen Stil noch lange nicht vollendet, ihn perfektioniert und genau an seinen Körper angepasst. Aber in allen Träumen konnte er lernen, er übertrug die Bewegungen seines Geistes einfach auf den Körper und lernte sie so. Eine Möglichkeit, welche die Einheit von Körper und Geist einem Kämpfer bieten konnte.
Eric philosophierte. Vielleicht war es die Kraft der Natur, die dem Geist ein solches Potential
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