Drachenland: Roman (German Edition)
sprechen möchtest, dann tue das. Nur nicht mit Lady Morgengrau; ich fürchte, sie ist Falkenwind treu ergeben.«
Willen war beunruhigt. Diese Informationen Lady Morgengrau vorenthalten? Wie konnte er das?
Evirae spürte Willens Unbehagen und sagte: »Schließlich wurde Falkenwind von Lady Morgengraus eigenem Bruder ernannt.«
Willen nickte. Das ergab einen Sinn. Die Prinzessin sprach so überzeugend, viel überzeugender als die Leute aus Oberwald, mit denen er in der Vergangenheit zu tun gehabt hatte.
Und doch – im tiefsten Inneren störte Willen irgendetwas. Es fiel ihm schwer, einem Menschen zu trauen, der auf alles eine Antwort hatte.
Evirae beugte sich zu ihm. »Denke daran«, sagte sie vertraulich, »es gibt Gerüchte über die Rayaner. Es sind Nomaden. Sie könnten ohne Weiteres in einem anderen Land gelebt haben, vor vielen Jahren, vielleicht in … Fandora?«
Willen zuckte zurück und starrte sie an. Er richtete seine Gedanken auf das Land jenseits der Straße von Balomar. Evirae hob rasch die Hand. »Natürlich ist dies alles nur eine Vermutung. Aber … es ist etwas, worüber man nachdenken sollte.« Sie machte eine Pause. »Kehre jetzt zurück und warte auf meine Nachricht. Ganz Simbala ist in Gefahr.«
Willen nickte. Er stand auf, wandte sich zum Gehen und erinnerte sich dann daran, ihr die Hand zu geben. Sie lächelte ihn an, und im Bann ihres Lächelns sagte er: »Ihr könnt Euch auf mich verlassen, Hoheit.« Dann eilte er davon in den Wald.
Evirae blickte ihm nach, sorgsam darauf bedacht, ihre Gelassenheit zu bewahren. Für einen Augenblick herrschte Stille, dann raschelten die Büsche wieder, und Mesor trat auf die Lichtung. Sie blickte ihn an, und jetzt zitterte sie vor Nervosität.
»Hast du alles gehört?«, fragte sie ihn.
»Das meiste«, erwiderte er. »Ihr wart sehr überzeugend.«
Sie seufzte. »Das hoffe ich. Es ist schwierig, aus so unhaltbarem Material einen Verdacht aufzubauen.«
»Ihr habt Euer Aussehen sehr wirkungsvoll eingesetzt. Er hätte Euch alles geglaubt!«
Mesor machte eine kurze Pause und fragte dann: »Um was für frühere Auseinandersetzungen mit den Fandoranern ging es da?«
Sie lächelte matt. »Keine, von denen ich wüsste.« Dann erhob sie sich und lehnte ihren Kopf an seine Schulter, fast wie ein kleines Kind, das Trost sucht. Es war nichts Verführerisches in der Geste, auch spürte Mesor kein Verlangen. Er klopfte ihr beruhigend auf den Rücken. Dies gehörte zu seinem Amt.
Sie sagte leise: »Ein Teil von mir liebt die Intrigen, ein Teil von mir fürchtet sie. O Mesor, was ist, wenn er Verdacht schöpft, mit Morgengrau spricht und Falkenwind etwas erfährt?«
»Das wird nicht geschehen«, sagte er scharf. »Spinnt Euer Netz weiter. Bald werden Falkenwind und Ceria so darin verwickelt sein, dass der Palast Euch gehört.« Und mir, fügte er in Gedanken hinzu.
Amsel träumte. Eingeschlafen in seinem sanft schaukelnden Boot, sah er wieder, wie das Feuer mit leuchtenden Krallen sein Baumhaus zerriss, sah, wie aus Blättern schwarze Zipfel wurden, wie Möbel und Geräte in Flammen standen und Behälter von Flüssigkeiten in der Hitze explodierten. In seinem Albtraum war sein Fluchtweg zur Mesa abgeschnitten, und er musste weiterklettern, immer höher. Der Baum schien kein Ende zu nehmen, und das Feuer breitete sich aus, bis es den ganzen Wald ergriffen hatte. Dann erreichte er den Wipfel, und auf dem höchsten Ast stand Jondalrun, riesig und schrecklich, ein Messer in der Hand. Er hörte eine Stimme seinen Namen rufen und sah Johan ganz nah, mit der Schwinge. Amsel sprang hoch und packte die Querstange. Die Schwinge sackte ab, und während sie stürzten, begann Johan zu schreien …
Schaudernd wachte Amsel auf. Er war im Boot, das Feuer war die sengende Sonne – und etwas anderes stand direkt über ihm.
Als er endlich begriff, stockte ihm schier der Atem: ein Windschiff! Es befand sich nicht höher als zwei Mannslängen über ihm. Ein schiffartiges Fahrzeug, größer als Amsels Boot und mit einem kunstvoll geschnitzten Bären mit gefletschten Zähnen als Galionsfigur. Es hing mit Seilen an komplizierten Segelkonstruktionen. Die Segel waren wie Ballons von Spanten umgeben und hatten sanft wogende Ausbuchtungen, die sich im Wind mit einem fast melodischen Geräusch dehnten. Offensichtlich waren die Segel mit Gas gefüllt, aber was produzierte dieses Gas in solchen Mengen, ohne das Windschiff mit seinem Gewicht nach unten zu ziehen?
Wissenschaftliche
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