Drachenlanze - Ungleiche Freunde
wenn er dablieb.
»Krumme Nägel«, sagte Flint, der in dem Sack
herumwühlte. »Das hab ich hier drin. Und verrostete Striegel
und alte Hufeisen und einen vier Wochen alten Laib Quith-Pa.
Mehr nicht.«
Die Kinder warteten, daß Laurana weiterbohrte. »Das sagst
du immer«, stellte sie fest.
»Na schön«, seufzte er. »Hier ist ein Vorschlag. Steck deinen
Arm in den Sack und zieh dir was raus.«
Sie nickte. »Gut.« Dann legte sie eine Hand an die Öffnung.
»Aber nimm dich vor dem kleinen Seedrachen in acht«, warnte
der Zwerg. »Er beißt.«
Sie riß ihre schlanke Hand zurück und funkelte Flint wütend
an. »Soll ich mal?« bot der schließlich an.
Laurana nickte wieder.
Er zog etwas tief aus der Ecke seines Beutels, wobei ein
triumphierendes Grinsen auf seinem Gesicht stand. Sie hielt die
Luft an und klatschte in die Hände. Auf einmal war sie nicht
mehr Prinzessin und Tochter der Stimme, sondern ein
gewöhnliches Elfenmädchen. Immer noch stirnrunzelnd legte
er ihr den Gegenstand in die Hand.
Es war eine Flöte, nicht länger als die Handfläche des
Mädchens, aber in jeder Hinsicht perfekt. Sie war aus einem
Stück Vallenholz geschnitzt, das Flint den ganzen Weg von
Solace mitgebracht hatte. Er wußte, ihr Ton würde süßer sein
als von jedem anderen Holz, und als Laurana die Flöte an die
Lippen setzte, zeigte sich, daß er recht hatte. Die Töne, die
herausperlten, waren so klar wie das Wasser im Bach.
»Oh, danke!« rief Laurana aus und rannte hinüber zu Tanis,
der sich hinunterbeugte, um ihren Schatz zu begutachten.
Lauranans Bruder, der Elfenjunge Gilthanas, und die anderen
Elfenkinder drängten sich um Flint und bettelten ihn an, doch
bitte nachzusehen, ob auch für sie etwas in dem Sack wäre.
»Jetzt hört aber auf zu schubsen«, knurrte Flint, »sonst
verschwinde ich nämlich lieber gleich wieder, klar?« Und trotz
seiner Griesgrämigkeit besaß bald jedes Kind auf dem Platz ein
herrliches, neues Spielzeug. Es gab kleine Musikinstrumente
wie Lauranas Flöte, kleine Marionetten, die auf der Handfläche
tanzen konnten, Spielzeugwagen, die von bemalten
Pferdchen gezogen wurden, und Holzscheiben, die man mit
einem Finger an einer Schnur auf und ab rollen konnte.
Alle Spielzeuge waren aus Holz, jedes einzelne liebevoll am
Feuer geschnitzt. Wochenlang arbeitete Flint in seiner freien
Zeit daran und füllte den Wandschrank. Und wenn es dann
genug waren, fand er eine Ausrede, um über den Platz zu
spazieren. Natürlich würde er niemals zugeben, daß es kein
Zufall war, der ihn dort entlangführte, wenn er gerade zufällig
den Sack voll Spielzeug dabeihatte. Bei so einer Unterstellung
würde er nur grimmig brummen.
Als er den leeren Sack zusammenfaltete, überblickte er die
versammelten Kinder. Der Zwerg sah auch Tanis, der jetzt
abseits von den anderen an einem Teich hockte. Er saß im
Schneidersitz da und starrte schweigend ins Wasser. Mitten in
dieser ganzen elfischen Lieblichkeit hatte Tanis mit seinen
menschlichen Zügen etwas an sich, das Flint sehr vertraut
vorkam. Die Elfen waren ein gutes Volk, aber hin und wieder
merkte er, wie seine Gedanken zu den Zeiten wanderten, die er
mit nicht ganz so distanzierten Leuten verbracht hatte.
Jedenfalls war er schon vier oder fünf Mal so zum Platz
gekommen, und immer hatte Tanis sich von den anderen
Kindern ferngehalten, wenn der Zwerg das Holzspielzeug
verschenkt hatte. Tanis war allmählich zu alt für Kinderkram,
aber dennoch ... Er war auch noch nicht erwachsen. Immerhin
hatte Tanis ein gewisses Interesse gezeigt. Fast jedesmal hatte
der Junge den Zwerg mit seinen nicht ganz elfischen Augen
beobachtet, als wollte er ihn genau studieren. Flint hatte den
Jungen herbeigewinkt, aber er kam nie. Er schaute ihm einfach
weiter nachdenklich zu, und wenn der Zwerg sich wieder nach
ihm umsah, war er fort.
Aber diesmal würde es anders sein. Flint steckte die Hand in
die Tasche, um sich zu vergewissern, daß das eine, letzte
Spielzeug, das er zurückbehalten hatte, noch da war - ein
hölzerner Erbsenschießer.
Die übrigen Kinder waren auseinandergelaufen. Sie rannten
zum Essen nach Hause, zu Wildbraten mit Früchtesauce,
gebratenem Fisch oder Quith-Pa mit Geflügelbraten. Nur Tanis
war noch da. Das Mündel der Stimme saß am Teich. Er hatte
die Arme um die Knie geschlungen und das Kinn darauf gelegt
und sah Flint mit seinen haselnußbraunen Augen entgegen. Der
Halbelf trug ein lockeres, weißes Hemd und braune
Wildlederhosen, eine Kleidung, die an die der
Weitere Kostenlose Bücher