Drachenlanze - Ungleiche Freunde
Der Zunder flammte explosionsartig auf, so daß
sich der Zwerg hastig zurückzog. Als das helle Feuer zu einem
Glühen heruntergebrannt war, legte er vorsichtig ein paar
Stücke Kohle an die Glut und wartete, daß sie Feuer fingen. Er
sah zu Tanis hinüber, um zu hören, was es Neues gab.
»Lord Xenoth ist immer noch der erste Berater, obwohl
Litanas auf Porthios’ Bitte hin als Assistent für Xenoth
eingesetzt ist«, erklärte Tanis, der zusah, wie Flint eine
Schaufel von den nahen Kohlen ins Feuer warf. »Der Stimme
tat es leid, Lord Xenoths Gefühle zu verletzen – schließlich hat
Xenoth die Stimme der Sonne schon beraten, seit Solostarans
Vater das Amt antrat, und die Stimme will Xenoth bestimmt
nicht den Eindruck vermitteln, er könne seine Pflichten nicht
mehr allein wahrnehmen. Auch wenn das trotzdem so zu sein
scheint.« Die letzten Worte klangen deutlich verbittert.
»Schnapp dir mal die Blasebälge, ja, Junge, und hilf mir«,
sagte Flint. Tanis eilte zu dem Gerät und blies Luft ins Feuer.
In der Zwischenzeit häufte Flint von allen Seiten Kohlen auf
die Glut. »Xenoth hat das also übel genommen?« erkundigte
sich Flint.
»Er war nicht glücklich.« Die knappe Antwort sprach Bände
darüber, wie wortreich sich der Berater über die Veränderung
beklagt hatte.
Flint schüttelte den Kopf und dachte mitfühlend an Litanas,
obwohl Porthios’ braunäugiger Freund weder den Zwerg noch
den Halbelfen je besonders freundlich behandelt hatte. Flint
vermutete schon lange, daß Porthios’ Freunde Tanis das Leben
mit Absicht schwermachten, auch wenn Porthios selbst sich da
ganz heraushielt. Aber der Zwerg fragte Tanis selten danach,
und der Halbelf gab freiwillig höchstens sehr vage
Informationen über dieses Thema preis.
Vor Flints Aufbruch im letzten Herbst hatten Litanas und
Ulthen um die Hand der reichen Lady Selena geworben. Die
Elfendame genoß die Aufmerksamkeiten natürlich, aber die
Situation nagte an der Freundschaft zwischen Litanas und
Ulthen.
Während Tanis die Blasebälge bediente, nährte Flint das
Feuer mit immer neuen Kohlen und fragte sich, wie die
jüngsten Ereignisse das Werben der beiden Elfen um Lady
Selena beeinflussen mochten. Litanas hatte Reichtum, eine
gute Herkunft und die Stellung bei Lord Xenoth zu bieten.
Aber Xenoth konnte die Stellung seines Assistenten bei Hof
leicht untergraben, wenn er das für nötig hielt.
Ulthen hingegen stammte zwar aus einer alten Adelsfamilie
von Qualinost, aber er und seine Verwandten waren ständig
pleite. Vor Jahren hatte seine angespannte Finanzlage den El
fen gezwungen, als Waffenmeister bei Porthios’ jüngerem
Bruder Gilthanas in Dienst zu gehen.
Auf jeden Fall würde Flint sich bestimmt nicht mit dem
reizbaren, alten Ratgeber anlegen wollen, auch wenn es so
aussah, als würde der Zwerg das ohnehin ständig tun. Lord
Xenoth, dessen Alter ihm eine gewisse Kritik an manchen
Entscheidungen der Stimme erlaubte, verurteilte lautstark die
Aufnahme jeglicher Außenseiter bei Hof.
Aber als Flint seinen Lieblingshammer mit dem Holzgriff
aus der Werkzeugbank holte, fiel ihm etwas anderes ein.
»Hast du schon mal vom Graustein gehört?«
Tanis sah erstaunt von den Blasebälgen auf. »Dem Graustein
von Gargath? Natürlich. Jedes Elfenkind muß die Geschichte
auswendig lernen.«
»Miral hat ihn heute mir gegenüber erwähnt.« Flints Stimme
war abgelenkt, da seine Aufmerksamkeit hauptsächlich der
Esse galt. »Erzähl mir die Geschichte mal so, wie die Elfen sie
kennen.«
Tanis warf seinem Freund einen neugierigen Blick zu und
begann dann mit der Geschichte, die ihm Miral vor Jahren
eingetrichtert hatte – wobei er die Blasebälge weiter bediente.
»Bevor der neutrale Gott Reorx die Welt schmiedete,
kämpften die Götter um die Seelen der verschiedenen Rassen,
die zu jener Zeit noch zwischen den Sternen tanzten.« Er legte
seine Hände wieder an die Griffe der Blasebälge.
Flint nickte, als wenn sich das mit der Geschichte deckte, die
bei den Zwergen erzählt wurde. Aus einem Stapel auf einem
Tisch neben der Esse zog er einen handlangen,
kleinfingerdicken Eisenstab und erhitzte ihn in den Kohlen.
Der Halbelf fuhr mit seiner Erzählung fort. »Die Götter des
Guten wollten, daß die Rassen Macht über die materielle Welt
haben sollten. Die Götter des Bösen wollten die Rassen
versklaven. Und die Götter der Neutralität wollten, daß die
Rassen materielle Macht über die Welt und die Freiheit haben
soll ten, zwischen Gut und Böse zu wählen – und darauf
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