Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
Bemerkungen haßte.
Auch diese ließ sie nicht durchgehen. Sie verzog das Gesicht. »Maurynna – gewandelt. Raven, das war wirklich ekelhaft, sogar für deine Verhältnisse.«
Sie schlug nach ihm.
Raven wich ihr aus und sagte: »Sind wir wieder Freunde, Virienne? Sag Honigan, daß ich mit ihm sprechen möchte und daß ich dabei auf seiner Seite bin. Ich … ich habe mein Mädchen verloren. Ich will nicht auch noch meine Mutter und meinen großen Bruder verlieren.« Es hatte zu dicht davorgestanden, daß es tatsächlich geschah. Der Gedanke schnürte ihm die Kehle zu.
Sie zog ihn zu sich herunter und küßte ihn so sanft auf die Stirn wie jede andere Mutter. »Ich werde dafür sorgen, daß das nicht geschieht, mein Lieber. Kehrst du aufs Anwesen der Erdons zurück? Das ist vielleicht das beste, zumindest heute abend. Ich werde versuchen, deinem Vater Vernunft beizubringen. Und nun geh, mein Lieber.«
Er küßte ihr die Wange. »Danke«, flüsterte er und umarmte sie fest.
Dann verließ er das kleine Wohnzimmer und ging langsam durchs Haus, wobei er immer noch versuchte festzustellen, was hier nicht stimmte. Es fühlte sich zu klein an, als wäre es in seiner Abwesenheit irgendwie geschrumpft. Er blieb an der Tür zu seinem Schlafzimmer stehen. Was würde er finden, wenn er hineinsah? Ein leeres Zimmer, nachdem sein Vater befohlen hatte, selbst die Erinnerungen an seinen abtrünnigen Sohn entfernen zu lassen? Oder hatte sein Vater es aus Rache zu einem Lagerraum für Wollballen gemacht? Einen Augenblick später gab Raven der Versuchung nach und spähte hinein.
Es war alles, wie er es zurückgelassen hatte, und es roch immer noch nach Lederöl und Holz. Erleichtert ließ er sich gegen den Türrahmen sinken; tausend Erinnerungen drangen auf ihn ein. Die Vorhänge waren offen; die letzten Sonnenstrahlen streckten ihre hellen Finger über die schwarzgrüne Decke auf dem schmalen Bett aus – eine Decke, die Virienne für ihn gewebt hatte, nachdem sie seinen Vater geheiratet hatte. Dort stand die Kleidertruhe am Fuß des Bettes, sein Sattel lag darauf und wartete, daß er die aufgerissenen Nähte reparierte. Er sah den Tisch am Fenster, das Rechnungsbuch, an dem er an dem Morgen, als er das Haus verließ, gearbeitet hatte, noch aufgeklappt. Neben dem Buch waren noch die Feder und das Tintenfaß. Er fragte sich, ob die Tinte wohl vertrocknet war; wie gewöhnlich hatte er vergessen, das Faß zu verschließen. Alles war dasselbe. Es fühlte sich so vertraut an und dennoch … verändert.
Wie kann es sich fremd anfühlen, überlegte er, immer noch am Türrahmen lehnend, wenn sich doch nichts ver …
Er schoß in den Raum wie ein Stein aus der Schleuder. Wo waren seine Pferde? Die Regale an der Wand gegenüber, auf der seine Sammlung geschnitzter Pferde gestanden hatte, waren leer. Er begann zu suchen.
Er fand sie bald. Es war klar, daß jemand sie in einem Zornausbruch vom Regal gefegt hatte. Sie lagen auf dem Boden, verborgen hinter dem Bett – zumindest das, was von ihnen übrig war. Die stolze Herde bestand nur noch aus Stücken zersplitterten Holzes, das man bestenfalls benutzen konnte, um ein Feuer zu machen.
Raven ließ den Umhang fallen und kniete sich neben den jämmerlichen kleinen Haufen. Tränen brannten in seinen Augen, als er hier ein Bein, dort einen geschnitzten Kopf berührte. Er kannte sie alle, er hatte für jedes einen Namen gefunden, er hatte sie jahrelang geliebt. Der Staub lag dick auf ihnen -und nur auf ihnen. Dies hier war schon vor längerer Zeit geschehen und so hinterlassen worden als … als was? Eine Warnung?
Sein Lieblingspferd lag ganz unten, ein Hengst, der aus dunklem Holz geschnitzt war, das im Lauf der Jahre zu Schwarz gealtert war. Er sah, wie Raven nun überrascht bemerkte, ganz ähnlich wie Shan aus. Oder zumindest hatte es einmal so ausgesehen; nun waren nur noch Splitter übrig. Zweifellos hatte dieses Holzpferd die schlimmste Wut des Zerstörers abbekommen.
Vaters Wut, sagte eine Stimme in Ravens Kopf. Er hätte die Stimme gern der Lüge bezichtigt. Aber er wußte, das war nicht möglich. Nicht ohne selbst zum Lügner zu werden. Und das werde ich nicht tun.
Raven stand auf und ging zur Tür. Er wollte nichts sehnlicher als dieses Haus verlassen; dieses Haus, in das er nie zurückkehren konnte.
Das hier war nicht sein Heim. Jetzt nicht mehr.
Gegen Ende des Abendessens kam eine Dienerin herein und flüsterte Onkel Kesselandt etwas zu. Er nickte und schickte die Frau mit
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