Drachenmord (Funny-Fantasy-Serie: Gesandter der Drachen) (German Edition)
einer Drachenjungfer. Können wir sie nicht schützen, droht das Band zu zerreißen und Zweifel werden gesät.“ So hatte ich Niflingyr niemals sprechen hören. „Geh nun, Anjûl, untersuche den besudelten Körper, ziehe Schlüsse und dann eile, deine Aufgabe zu erfüllen! Dir bleiben 36 Stunden. Bis dahin hast du herausgefunden, wer meinen Vorgänger tötete, wer meine Drachenjungfer tötete, wo die Phiole der Unterwerfung sich befindet und du hast mir Veshiras Kinder gebracht!“
Eben hatte ich noch mit ihm streiten wollen, jetzt drehte ich mich hastig um, damit er den letzten Punkt gar nicht erst vertiefte, und ließ mich von Nerade zur Leiche führen.
„Wer war das Mädchen?“, fragte ich, während wir die Berge aus Schätzen erkletterten.
„Jelina stammte aus Tamesh, einem der kleinen Orte in der Nähe der Seestadt. Ihren Eltern ist es wohl lange gelungen, sie zu verstecken, denn sie wurde erst vor etwa acht Monaten entdeckt und ausgewählt, Nyredd zu dienen.“
„Ausgewählt. Aha. Was war sie für ein Mensch?“
„Ich hatte wenig mit ihr zu tun. Sie gehörte zu jenen, die mit der Zubereitung der Speisen betraut war und ich komme nicht so häufig in die Küche. Mein Bereich sind Bibliothek und Schreibstube.“
Auch interessant. Sie kannte also gewiss Nyredds Biografie. Bei Gelegenheit würde ich in die Bibliothek zurückkehren und das Buch zu Ende lesen. Jetzt galt es jedoch, die Tote zu untersuchen.
Jelinas heller Leib lag bloß, flankiert vom weißen Leinen des aufgeschlitzten Kleides. Ihr ehemals schönes Gesicht – und schön musste sie gewesen sein, sonst wäre sie keine Drachenjungfer geworden – war nun eine widerwärtige Maske und es sah aus, als wolle die dunkelviolette Zunge aus ihr herauskriechen, wie ein aasfressender Wurm.
Bei diesem Mord bestand kein Zweifel an der Todesursache.
Trotzdem kniete ich mich in die allgegenwärtigen Goldmünzen und untersuchte den Körper, spreizte die Schenkel, an denen ein wenig Blut hinabgelaufen war, und betrachtete dann die Hände. Wie als makaber-spöttischer Lohn, hatte man ihre rechte Hand um eine Münze geschlossen. Was sagte mir das über die Mörder?
Ich rief mir in Erinnerung, was ich gesehen hatte. Natürlich lag es nahe, an Rolan, Orelût und Gomdelin zu denken, denn es war sicher kein Zufall, dass ich sie so nahe am Drachenberg getroffen hatte. Aber keiner von ihnen war einer der Mörder der Drachenjungfer gewesen. Von Haltung, Statur und Bewegung her hätte ich sie erkannt. Aber ich war ja selbst schon von gedungenen Mördern angegriffen worden, als ich mit den Kleinen unterwegs gewesen war … Himmel! Wo steckten die? Konnte ich Nerade einweihen? Oder wusste sie längst davon? Wer steckte hier mit wem unter einer Decke?
Es war wirklich zum Verzweifeln.
Ich drehte mich zu Nerade um.
„Wie sind die Burschen hier reingekommen?“
Sie sah mit vollkommen ausdruckloser Miene auf die Tote, die sie doch sicher sehr gut gekannt hatte.
„Ich weiß es nicht.“
„Du musst es wissen! Wer, wenn nicht die Drachenjungfern, kennt noch andere Wege als das Haupttor?“
„Natürlich kenne ich mehrere Zugänge – wir erhalten ja Waren aus allen Himmelsrichtungen – aber ich weiß nicht, durch welchen ein Mörder hier eindringen könnte. Die Türen sind magisch verschlossen. Niemand kann sich Zugang verschaffen.“
Ich wies auf die Tote.
„Wir können das Gegenteil als bewiesen betrachten. Wie wäre es mit einem Magier? Wäre der in der Lage, so eine Tür aufzubekommen?“
Nerade schüttelte den Kopf.
„Nur einer der großen Magier und von denen soll keiner mehr in unserer Welt weilen.“
Langsam wurde mir das Ganze zu viel.
„Wie macht ihr selbst denn die verdammten Türen auf, wenn jemand einen Ochsen liefert? Ihr seid ja wahrscheinlich nicht die 48 verschollenen großen Zauberer der alten Zeit, die inzwischen die Gestalt schöner Jungfrauen angenommen haben!“
Zum ersten Mal sah ich Nerade laut heraus lachen.
Hinreißend.
Vorübergehend vergaß ich meinen Gedankengang und musste mich zusammenreißen, um ihre Antwort überhaupt mitzukriegen.
„Es ist nicht erlaubt, dir zu sagen, wie wir die Türen öffnen. Aber du darfst sicher sein, dass niemand außer uns es vermag.“
„Kann ich das?“, fragte ich, wies wieder auf die Leiche und begriff: Nerade hatte recht.
Ich wusste nun, wie die Mörder in die Halle gelangt waren.
Der Plot verdichtet sich
Mit jedem gelösten Rätsel taten sich leider neue Fragen
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