Drachenritter 03 - Der Drache an der Grenze
redeten mehrere Ritter gleichzeitig. Dann verstummten sie bis auf einen am Ende des Tisches, der den Kleinen Leuten zuvor abgesprochen hatte, gewöhnliche Sterbliche zu sein.
»Nichts für ungut, edler Herr«, sagte dieser Mann, »aber wo liegt eigentlich das Königreich, aus dem Ihr stammt?«
Jim sprang eilig in die Bresche.
»Es liegt nicht weit von Wales«, sagte er, »weswegen Seine Hoheit es vorgezogen hat, sich als walisischer Bogenschütze auszugeben.« Er zermarterte sich den Kopf nach einer weiteren Erklärung. »Das Königreich Seiner Hoheit besteht schon so lange, daß es mittlerweile im Meer versunken ist. Gleichwohl lebt sein Volk auf magische Weise unter Wasser weiter, ohne daß man auf dieser Insel von ihnen weiß. Habe ich recht, Euer Hoheit?«
»So ist es«, entgegnete Dafydd ungerührt.
»Eine magische Mauer schließt ihr Königreich vom Land ab, so daß es den Anschein hat, als sei das Meer dort unbewohnt«, fuhr Jim fort. »Ich als Magier vermochte diese Mauer jedoch zu durchdringen und mich unter Wasser zu der Heimstatt Seiner Hoheit zu begeben. Ich bat ihn um Hilfe, und er erklärte sich bereit, uns beizustehen. Bedenken hatte er keine, denn ich bat ihn, zur Burg von Sir Herrac zu kommen, der ihm kein Unbekannter war.«
Nun wirkte Herrac überrascht. Jim schenkte ihm einen vielsagenden Blick. Alle Anwesenden waren sich bewußt, daß Herrac ein Silkie und daher imstande war, sich im und unter dem Wasser fortzubewegen und ein Königreich, wie Jim es beschrieben hatte, zu besuchen.
»Das Volk Seiner Hoheit hat das Kleine Volk vor vielen hundert Jahren, als Eure Familien noch gar nicht in diesem Gebiet lebten, gut gekannt. Damals, als das Königreich Seiner Hoheit noch über Wasser lag, waren sie eng befreundet. Deshalb haben sie Seine Hoheit auch sogleich erkannt und waren damit einverstanden, daß er sie befehligt, falls sie an Eurer Seite kämpfen sollten -was sie ansonsten nicht getan hätten.«
Jim legte eine bedeutsame Pause ein.
»Vielmehr haben sie sich zunächst rundheraus geweigert, bis er sich bereit erklärte, sie zu führen«, fuhr er fort. »Vor der eigentlichen Schlacht wird er ein paar von ihnen zu unserer Beratung mitbringen; der Oberbefehl aber liegt bei ihm allein. Im Gegensatz zu Euch weiß er nämlich sehr wohl, daß die Kleinen Leute ganz gewöhnliche Sterbliche sind. Allerdings verfügen sie wie ich über eine gewisse magische Begabung, denn nur Menschen vermögen die Magie anzuwenden. Alle Naturgeister wie auch die Wesen, die den Dunklen Mächten ergeben sind und von ihnen erschaffen wurden, verfugen zwar über gewisse angeborene Kräfte, vermögen sie aber ebensowenig gezielt einzusetzen wie etwa ein Falke, der aus großer Höhe noch alle Einzelheiten auf dem Boden erkennen kann, seine Sehkraft.«
Als Jim geendet hatte, wurde lange geschwiegen. Dann wandte sich Sir John der Graeme unmittelbar an Dafydd.
»Edler Herr«, sagte er, »es wird mir eine Ehre sein, an Eurer Seite zu kämpfen.«
24
Jim und Dafydd bahnten sich mit ihren Pferden und einem Packtier, das mit dem Gold beladen war, einen Weg durch die Cheviot-Hügel, angeführt von Snorrl, der nur hin und wieder wie ein Gespenst vor ihnen auftauchte und ihnen die Richtung wies, um dann gleich wieder zu verschwinden.
Jim sann darüber nach, daß ein Problem, das einen eine Zeitlang ganz und gar in Anspruch genommen hatte, dann, wenn es gelöst war, auf einmal völlig unbedeutend erschien, worauf man sich sogleich einem neuen Problem zuwandte und darin aufging. Daß die Grenzbewohner sich bereit erklärten, zusammen mit den Kleinen Leuten zu kämpfen, war ihm als die große Hürde erschienen, die es zu überwinden galt. Doch nachdem Sir John Dafydd als Prinz Merlon und dessen Führerschaft über die Kleinen Leute anerkannt hatte, war der restliche Widerstand der Gruppe, die Herrac in der Burg de Mer versammelt hatte, zerbröckelt.
Anschließend hatte man sich rasch darauf geeinigt, sich zu einem Zeitpunkt, den Jim noch mitteilen würde, an einem allseits bekannten Ort in den Cheviot-Hügeln zu sammeln. Dies würde in ein bis zwei Wochen sein. Dann würden sie am Vorabend der Schlacht noch einmal beratschlagen.
Jetzt, da alles besprochen war, schien es Jim, als wäre es ganz einfach gewesen, das Einverständnis der Grenzer zu erringen. Er wußte, daß das nicht stimmte, dennoch wurde er das Gefühl nicht los. Statt dessen machte er sich nun Sorgen darüber, wie er sich verhalten sollte, wenn er den
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