Drachenritter 03 - Der Drache an der Grenze
hatten, erkundigte Jim sich nach MacDougall.
»Wo ist er denn abgeblieben, wo alle Welt so geschäftig ist?« fragte Jim.
»Der ist entweder auf dem Dach des Turms oder besieht sich die Umgebung von den Zinnen aus - zusammen mit Liseth«, antwortete Brian.
Den letzten beiden Worten hatte er eine besondere Betonung verliehen, und diese unterstrich er noch dadurch, daß er Jim unauffällig zuzwinkerte. Jim wollte darauf etwas erwidern, doch Brian hatte sich bereits abgewandt und verlangte nach Wein. Auf dem Tisch standen zwar Becher, doch die Krüge waren leer.
Auf einmal machten sich Jims böse Vorahnungen wieder mit Macht bemerkbar. Er hatte Brian von seinem Plan, MacDougall von Liseth aus der Reserve locken zu lassen, nichts erzählt; und einen anderen Grund, weshalb Brian es hätte komisch finden sollen, daß Liseth sich mit MacDougall abgab, konnte er sich nicht vorstellen, zumal ihr die Gegenwart des schottischen Lords beim letztenmal, als er die beiden zusammen erlebt hatte, offenbar in höchstem Maße zuwider gewesen war.
Die Gelegenheit, eine weitere Frage zu stellen, war jedoch vorbei, und so wie Brian ihm die Neuigkeit mitgeteilt hatte, beabsichtigte er nicht, die Angelegenheit in Dafydds Beisein noch eingehender zu bereden. Der Grund dafür war Jim allerdings nicht klar.
Er fragte sich, ob ihn sein Unbehagen veranlaßte, in ganz gewöhnlichen Dingen verborgene Bedeutungen zu sehen. Möglich war es schon. Allerdings sträubte sich irgend etwas in ihm, dieser Erklärung Glauben zu schenken.
Später allerdings, als zwei von Herracs Söhnen sich zu ihnen gesellt hatten und Dafydd über die Schlachten ausfragten, an denen er teilgenommen hatte, spürte Jim, wie Brian ihn am Ärmel zupfte, und als er ihn ansah, bedeutete er ihm, sich vom Tisch zu erheben.
25
Jim folgte Brian voller Unbehagen. Eigentlich gab es keinen vernünftigen Grund, doch das Gefühl böser Vorahnung, das ihn nach dem Besuch bei den Anführern der Hohlmenschen beschlichen hatte, hielt nach wie vor an, und Brians ungewöhnliches Verhalten tat noch sein übriges dazu.
Brian geleitete ihn durch eine Tür auf den Gang, der zu dem Raum führte, in dem sie mit den Anführern der Grenzbewohner zusammengetroffen waren. Brian blieb stehen, sobald sie sich ein Dutzend Schritte von der Tür entfernt hatten und sich außer Hörweite der hohen Tafel befanden.
»James«, sagte Brian mit hohler Stimme, »ich bin fertig!«
Der Ausdruck >fertig<, der in der Welt des zwanzigsten Jahrhunderts, der Jim entstammte, alles mögliche hätte zum Ausdruck bringen können, hatte hier eine eindeutig verhängnisvolle Bedeutung.
Und zwar bedeutete er, daß alle Pläne des Betreffenden zunichte geworden waren, so daß er nur mehr dem Verderben ins Auge blickte. Und so sah Brian auch aus. In seinem Unglück wirkte er beinahe tragisch.
»Brian!« sagte Jim gerührt. »Was habt Ihr denn?«
Brian berührte ihn am Arm.
»James«, sagte er, »ich habe mich verliebt.«
»Nun ja«, entgegnete Jim ein wenig hilflos, »bei einer Dame wie Lady Geronde de lsabel de Chaney wundert mich das auch nicht. Weshalb sollte Euch das Sorgen machen?«
»Aber sie ist es nicht, die ich liebe«, sagte Brian.
»Wer ist es dann?« fragte Jim. Plötzlich kam ihm ein furchtbarer Verdacht. »Ihr meint doch nicht etwa...?«
»Doch«, fiel Brian ihm ins Wort, »diesen Engel auf Erden. Liseth de Mer.«
»Brian«, sagte Jim, »das ist doch wohl nicht Euer Ernst!«
»Bei meiner Seele«, sagte Brian und faßte sich an die Stelle seiner Brust, wo er das Herz vermutete - in Wirklichkeit befand es sich viel weiter in der Mitte.
Jim war sprachlos. Er hatte Brian Neville-Smythe noch nie in einem solchen Zustand erlebt. Eigentlich hatte er noch nie erlebt, daß Männer des Mittelalters so ernst von der Liebe gesprochen hätten. Im höfischen Rahmen oder bei Minnesängern hatte es meistens einen spielerischen Beiklang, und unter den Männern in seiner unmittelbaren Umgebung gab es, mit wenigen Ausnahmen wie Herrac, kaum einen, der die Liebe ernst nahm. Und nun befand Brian sich in einem Zustand regelrechter Verzückung.
»Aber...« stammelte Jim, um eine Erwiderung verlegen, »Ihr seid doch mit Lady de Chaney verlobt.«
Brian schlug die Augen nieder.
»Leider«, sagte er.
»Leider?« wiederholte Jim. »Brian, ich kenne Euch jetzt seit fast zwei Jahren. Ihr seid mein bester Freund, und wir haben schon alles mögliche miteinander erlebt; aber Ihr habt mir nie Anlaß gegeben, daran zu
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