Drachenritter 03 - Der Drache an der Grenze
der Finsternis. Solltet Ihr das noch nicht gewußt haben, so wißt Ihr es jetzt.«
Er riß das Maul auf und lachte die Anwesenden lautlos an.
»Snorrl, dessen Volk dieses Land gehörte, als es hier noch keine Menschen gab«, fuhr er fort, »überläßt Euch jetzt Eurem närrischen Geschwätz. Daß mir ja keiner auf die Idee kommt, mir zu folgen und mich zu suchen. Es würde ihm übel bekommen!«
Daraufhin drehte er sich um, wobei seine Pfoten über die Tischplatte kratzten, sprang über Jims Kopf hinweg und war ebenso plötzlich verschwunden, wie er in der Burg, die er eigentlich nie hatte betreten wollen, aufgetaucht war.
Im Palas herrschte tiefes Schweigen. Nicht nur die Grenzer, auch die Kleinen Leute blickten wie hypnotisiert in Jims Richtung.
»Vielleicht«, sagte Jim, als das Schweigen peinlich zu werden drohte, »sollte ich dem noch ein paar Worte hinzufügen. Wie Ihr alle wißt, bin ich nicht nur Magier, sondern auch Ritter. Ihr habt mich bloß deshalb noch nicht zaubern gesehen, weil dies einigen Aufwand erfordert. Wenn Ihr mich das nächste Mal seht, werde ich allerdings anders aussehen. Wenn ich von der Felsleiste aus das Gold austeile, werde ich gekleidet sein wie Ewen MacDougall, der Abgesandte des Königs von Schottland, und werde sein Gesicht haben. Vielleicht werde ich noch einige andere unbedeutendere magische Handlungen vornehmen, doch das braucht Euch nicht zu interessieren. Ich sage Euch das jetzt, denn wenn die Hohlmenschen erst einmal umzingelt und so dicht zusammengetrieben sind, daß Ihr Grenzer durch die Gassen, welche die Kleinen Leute für Euch öffnen werden, vorrücken könnt, werdet Ihr nichts anderes mehr im Sinn haben, als den Sieg, den diese vorbereitet haben, endgültig zu erringen.«
Er blickte nach rechts und nach links.
»Wenn es soweit ist, werden Sir Brian, Prinz Merlon, der Wolf, den Ihr soeben gesehen habt, und ich uns durch die Hohlmenschen hindurchkämpfen und uns so gut es geht einen Weg durch die Gassen der Kleinen Leute bahnen, welche diese hoffentlich für uns öffnen werden. Ich bitte Euch dringend, nach uns Ausschau zu halten und uns durchzulassen. Zu diesem Zeitpunkt werde ich wieder mein normales Gesicht haben, aber über der Rüstung noch Ewen MacDougalls Rock tragen. Beim Hinausgehen werdet Ihr diesen Rock sowie den Schild mit seinem Wappen und dem Kriegsruf seines Clans - >Buaidh no Bäs< - an der Säule neben der Tür sehen.«
Von Giles hatte er erfahren, daß der gälische Kriegsruf >Sieg oder Tod< bedeutete. Die Grenzer sprachen die universelle Sprache dieser Welt, und daher hatten sie die Worte, die Jim soeben mit leidlich korrekter Aussprache wiedergegeben hatte, auch alle verstanden.
»Bitte prägt Euch das ein und vergeßt nicht«, fuhr er fort, »uns durchzulassen, wenn es soweit ist. Und wenn ich >uns< sage, dann meine ich uns alle, auch den Wolf. Erhebt gegen keinen von uns die Waffe, ob er nun auf vier Beinen daherkommt oder auf zweien. Bei meiner Ehre als Magier verspreche ich Euch, daß jeder, der dies tut, es bitter bereuen wird. Ich wiederhole - dafür stehe ich mit meiner Magierehre ein!«
Er verstummte. Im Palas war es mucksmäuschenstill. Er hatte die Spannung nicht gemildert, wie es eigentlich seine Absicht gewesen war - statt dessen hatte er sie noch verstärkt. Allerdings hatte das einmal gesagt werden müssen. Die Männer im Saal hatten wahrscheinlich ihr Leben lang Jagd auf Wölfe gemacht, wo immer sie welchen begegnet waren. So geschickt Snorrl auch war, sollte ihm ein Spießrutenlauf durch die Reihen der kampfeswütigen Grenzer erspart bleiben.
Diesmal brach Herrac das angespannte Schweigen.
»Also gut, meine Herrschaften«, rüttelte er die Anwesenden mit seiner gewaltigen Stimme aus ihrer Benommenheit auf, »ich denke, es ist jeder zu Wort gekommen, der uns etwas zu Gehör bringen wollte. Möchte noch jemand etwas sagen?«
Er blickte Sir John den Graemen an. Als dieser den Kopf schüttelte, wanderte Herracs Blick weiter zu Ardac.
»Wir haben alles gesagt«, meinte Ardac. »Mit Eurer Erlaubnis würden wir uns jetzt gern entfernen.«
Er stand auf, und die anderen Kleinen Leute folgten seinem Beispiel. Schweigend beobachteten die Anwesenden, wie sie von dem Podest hinunterstiegen, den Saal durchquerten und nach draußen traten.
Erst in dem Moment, als sich die Tür hinter ihnen schloß, fiel die Spannung von der Versammlung ab. Überall wurde geredet, nicht an die Allgemeinheit gewandt, sondern an die jeweiligen
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