Drachenritter 03 - Der Drache an der Grenze
Tischplatte reichten. Die übrigen Hocker hatten wieder die normale Höhe. Herrac wandte sich dem anderen Ritter zu.
»Wullie«, sagte er, »das sind die Plätze für die fünf Abgesandten der Kleinen Leute. Nehmt auf dem nächsten Hocker Platz, wenn Ihr wollt, oder laßt den für Sir John den Graemen frei und nehmt den übernächsten.«
Sir William wählte den zweiten Hocker mit normalen Beinen. Als er Platz nahm, musterte er Herrac durchdringend.
»Sollen wirklich alle an der hohen Tafel sitzen?« fragte er. »Während der Großteil unserer edlen Ritter mit den unteren Plätzen vorliebnehmen muß?«
»Diese Seite der Tafel ist meiner Familie und den Anführern vorbehalten«, erwiderte Herrac. »Da lediglich fünf von ihnen zu der Beratung zugelassen wurden, genießen alle fünf die gleichen Rechte wie die anderen, die neben mir sitzen. Deshalb haben wir die Hocker für sie vorbereitet.«
Sir William sagte nichts mehr, sondern wandte sich ab und schenkte sich mit allen Anzeichen von Mißbilligung Wein nach.
Herrac störte sich nicht weiter daran, und der Saal füllte sich immer mehr. Bisweilen begab sich einer der Neuankömmlinge schnurstracks zum Podest und nahm rechts von Sir William an der hohen Tafel Platz. Einer davon - Jim erinnerte sich zufällig an seinen Namen -war Sir Peter Lindsay, einer der Lindsays, die in dieser Gegend über großen Einfluß verfügten.
Er war nur geringfügig größer als Sir Giles, allerdings ebenso gut gebaut wie Dafydd, so daß er größer wirkte. Seine Schultern waren gerade und kräftig, seine Hüfte schmal, und er hatte das scharfgeschnittene, kluge Gesicht eines Dreißigjährigen, mit hellblauen Augen unter hellbraunen Brauen.
Allmählich füllte sich der Saal, und immer mehr Plätze an der hohen Tafel wurden besetzt. Kurz nachdem Sir William seinen Platz eingenommen hatte, traf Sir John der Graeme ein, der sich unmittelbar neben die für die Kleinen Leute reservierten Hocker setzte. Anders als Sir William von Berwick enthielt er sich eines Kommentars, offenbar war ihm auf den ersten Blick klargewesen, für wen sie gedacht waren.
Ständig strömten weitere Grenzer herein. Als nach Jims Zählung alle Platz genommen hatten, überall angeregte Gespräche im Gange waren und dem Wein munter zugesprochen wurde, ging die Tür auf, und die fünf Kleinen Leute traten ein.
Stille senkte sich über den Saal. Kaum daß die Grenzer die Neuankömmlinge bemerkt hatten, verstummten sie auch schon. Die Anführer der Schiltrons durchquerten angeführt von Ardac den Palas, traten um die hohe Tafel, sahen die für sie vorbereiteten Hocker und nahmen darauf Platz.
Das Schweigen hielt an, bis Herrac es schließlich brach.
»Seine Hoheit Prinz Merlon«, sagte Herrac, dessen Stimme bis in die äußersten Winkel des Saales drang, »der Baron Sir James de Bois de Malencontri et Riveroak und unsere Verbündeten vom Kleinen Volk, angeführt von Ardac, dem Sohn Lutels, glaube ich...« Er blickte kurz zu Ardac, der unmerklich nickte. Herrac faßte wieder die Allgemeinheit ins Auge. »...sowie all die anderen Eingeladenen scheinen nun dazusein. Daher erkläre ich den Kriegsrat über unseren morgigen Angriff auf die Hohlmenschen für eröffnet.«
29
Als die Beratung erst einmal eröffnet war, staunte Jim, wie geschäftsmäßig es dabei zuging. Diesmal fehlte es an der Disziplinlosigkeit, den Einwürfen und anderen Dingen, die Jim bei den vorhergehenden Beratungen störend aufgefallen waren.
Er fühlte sich an die Zeit erinnert, kurz nachdem er in diese Welt gekommen war, um Angie zu befreien und sie wieder ins zwanzigste Jahrhundert zurückzuholen. An eine Zeit, in der er, Dafydd, Brian und ein paar Einheimische sowie der Wolf Aragh sich eines frühen Morgens bereitgemacht hatten, die von Feinden besetzte Burg von Brians Dame Geronde lsabel de Chaney anzugreifen - wobei der Angriff bei Sonnenaufgang stattfinden sollte. Auch damals war es ganz geschäftsmäßig zugegangen. Das war so weit gegangen, daß Brian Jim irgendwann höflich, aber entschieden nahegelegt hatte, sich mit seinem Drachenkörper nach draußen zu begeben, wo er niemanden bei den Vorbereitungen stören konnte.
Herrac gab zunächst den Zeitpunkt und den Ort bekannt, an dem sie sich unweit des Versammlungsorts der Hohlmenschen treffen würden, und reichte die grobe, aber verständliche Karte herum. Wer den Weg dorthin nicht kannte, wurde an jemanden verwiesen, der Bescheid wußte. Anschließend verschaffte man sich Klarheit
Weitere Kostenlose Bücher