Drachenritter 03 - Der Drache an der Grenze
musterte. »Sagt, was gibt es denn noch?«
»Ich weiß nicht«, wiederholte Jim. »Im Moment habe ich bloß so ein Gefühl.«
»Ob Euch das weiterhilft, weiß ich nicht«, sagte Dafydd, »aber ich muß Euch sagen, ich habe auch so ein Gefühl. Und ich weiß aus Erfahrung, daß ich gut daran tue, derlei Anwandlungen Beachtung zu schenken. Erinnert Ihr Euch noch, wie ich kurz nach unserer ersten Begegnung, als Ihr Euch entschlossen hattet, zunächst mit Brian und den anderen die Burg de Chaney zurückzuerobern und dann erst Lady Angela zu befreien, die flüchtige Anwesenheit von etwas Unbekanntem spürte?«
Er wartete.
Jim nickte.
»Ihr werdet Euch sicher auch noch erinnern, daß ich Euch, Brian, Giles und dem jungen englischen Prinzen sagte, alles, was ich berührte, habe sich kalt angefühlt, als ich meine Sachen packte, um meine geliebte Frau zu verlassen und nach Frankreich zu gehen.«
Abermals stockte er, und wieder nickte Jim.
»Alles außer dem Schwert, das schließlich Giles nahm, weil der Prinz es nicht tragen wollte«, fuhr Dafydd fort. »Und dieses Schwert sollte Giles zeitweise den Tod, aber auch große Ehre einbringen. Ein ähnliches Gefühl habe ich auch jetzt wieder; diesmal aber bezieht es sich auf Euch. Dieses Gefühl rät mir, Euch nicht von der Seite zu weichen und in der Nähe der Kleinen Leute zu bleiben.«
»Wegschicken kann ich Euch nicht«, meinte Jim bedrückt, gleichwohl bemühte er sich aber zu lächeln. »Wie Ihr bereits sagtet, seid Ihr Prinz Merlon.«
»Das stimmt«, sagte Dafydd. »Allerdings spüre ich auch, daß Ihr etwas fühlt, was über die Ereignisse des heutigen Tages hinausgeht. Dennoch scheint mir, daß die Kleinen Leute und die Grenzer die Schlacht gewinnen werden - meint Ihr nicht auch?«
Auf einmal besann sich Jim, wo er war und was er eigentlich tat. Er blickte zur Lichtung hinüber. Der Staub hatte sich teilweise gelegt, und nun sah er, daß nur noch gepanzerte Hohlmenschen übrig waren, die von Grenzern und Kleinen Leuten gegen die Felswände gedrängt wurden und verzweifelte Gegenwehr leisteten. Alle anderen lagen als leere Kleidungsstücke oder Rüstungen am Boden.
»Ich hoffe nur, daß sich keiner von ihnen totstellt«, meinte Jim besorgt.
»Darauf werden Snorrl und die Vögel schon achten«, entgegnete Dafydd.
Jim schaute sich um.
»Aber Snorrl ist verschwunden«, sagte er.
»Weit ist er nicht«, sagte Dafydd. »Seht nur.«
Jim blickte in die Richtung, in die der Bogenschütze zeigte.
Durch den sich legenden Staub hindurch machte er Snorrl auf der anderen Seite der Lichtung aus; der Wolf beschnüffelte die am Boden liegenden Rüstungen. Die größeren Vögel kreisten am Himmel, während die kleineren - jetzt waren auch einige Schwalben und Mauersegler dabei - fast bis auf den Boden herunterstießen.
Das Ende war abzusehen. Die Überlebenden beider Seiten fochten mit kühler Entschlossenheit. Die übriggebliebenen Hohlmenschen kämpften ums nackte Überleben. Kleine Leute und Grenzer wurden angetrieben von jahrelang aufgestautem Haß. Merkwürdigerweise sprach oder schrie niemand mehr; man vernahm nur noch das Klirren von Metall.
Nach und nach wurde die Verteidigungslinie der Hohlmenschen, die gegen die Felswand gedrängt wurden, immer dünner und dünner, bis nur noch ein paar vereinzelte Kämpfer übrig waren - und dann verschwanden auch diese.
Die Kleinen Leute und die Grenzer wichen zurück, für diesen Augenblick eigentümlich geschlossen; die Kleinen nicht mehr in Reihen geordnet und die Grenzer nicht mehr für sich, sondern durchmischt mit Kleinen Leuten. Im Licht der gemeinsamen Erfahrung blickten sie einander an, als sähen sie sich zum ersten Mal.
Langsam zogen sie sich von der Felswand zurück, und jetzt konnte Jim die Rüstungen der letzten Hohlmenschen erkennen, die nicht mehr aus Metall gemacht schienen, sondern ganz leicht wirkten, als habe sie ein Herbstwind am Fuß der Felswand zusammengeweht.
Die Kleinen Leute und die Grenzer zogen sich langsam zurück, lösten sich voneinander und formierten sich neu in zwei getrennten Gruppen, Kleine Leute zu Kleinen Leuten, Grenzer zu Grenzern.
Obwohl die Schlacht geschlagen war, herrschte immer noch Stille. Jim machte Herracs hochaufragende Gestalt aus, immer noch zu Pferd, immer noch - soweit Jim das erkennen konnte - umringt von seinen Söhnen, im Begriff, in einiger Entfernung von der Felswand einen Sammelpunkt einzurichten. Soeben wandte er sich um.
»Grenzer! Her zu mir!«
Daß seine
Weitere Kostenlose Bücher