Drachenritter 03 - Der Drache an der Grenze
lockt. Er wird sich jedenfalls bemühen, Eure Gunst zu gewinnen. Bitte bringt ihn dazu, sich dabei ordentlich ins Zeug zu legen. Zieht das Ganze möglichst in die Länge, bis er...«
Eigentlich hatte er sagen wollen >bis er versucht, Euch herumzukriegen<, doch da ihm keine passende Übersetzung in die Ausdrucksweise des Mittelalters einfiel, verstummte er kläglich.
»Ich glaube, ich habe Euch verstanden«, sagte Liseth. »Ihr möchtet, daß ich diesen Herrn aus der Reserve locke, so daß er um meine Gunst wirbt und sich dabei von allen möglichen Seiten zeigt.«
»Genau!« sagte Jim. »Ihr habt verstanden, worum es geht. Ich hoffe, daß er sich spreizt wie ein Pfau, um Euch zu gefallen. Dabei werde ich ihn beobachten, so daß ich mich später, wenn ich seine Gestalt angenommen habe, Euch gegenüber wie er verhalten kann. Dann müßt Ihr mir sagen, ob ich alles richtig mache. Ihr braucht ihn bloß zu verführen...«
»S IR !«
20
Jim riß die Augen auf. Liseth hatte sich vollkommen verändert.
Sie hatte sich kerzengerade aufgerichtet, und ihr Gesicht war bleich und gebieterisch geworden. Ihre Stimme dröhnte mit der gleichen durchdringenden Kraft, die allen de Mers zu eigen war. Jim zuckte zusammen; es hätte ihn nicht gewundert, wenn ihre Stimme im ganzen Wehrturm zu vernehmen gewesen wäre und jeden Moment ihre Brüder auftauchen und sich alle gleichzeitig auf ihn stürzen würden.
Die noch nicht in den Ritterstand erhobenen Söhne der de Mers mochten gegen erfahrene Kämpen wie MacDougalls Bewaffnete zwar einen schweren Stand haben, doch Jim war kein erfahrener Kämpe - wie Brian ihm mehr als einmal offen ins Gesicht gesagt hatte. Außerdem tat jeder, der über ein wenig gesunden Menschenverstand verfügte, gut daran, vier Gegner, die insgesamt gut und gerne siebenhundert Pfund auf die Waage brachten, aus dem Weg zu gehen.
Viele Ritter, darunter auch Sir Brian, waren allerdings nicht vernünftig. Jim allerdings schon.
»Liseth!« sagte er mit einer beschwichtigenden Handbewegung. »Was...«
»Sir!« Sie hatte sich immer noch nicht wieder entspannt. »Habe ich Euch recht verstanden? Ihr wollt lediglich, daß ich den Mann aus der Reserve locke? Und sonst nichts?«
»Aber gewiß nicht!« antwortete Jim. »Etwas anderes wäre mir nicht einmal im Traum eingefallen...«
»Es ist nämlich so, Mylord!« sagte Liseth. »Ich muß auf meine Ehre achten und auf die meiner Familie! Ich bin noch Jungfrau und unverheiratet! Ich kann einfach nicht glauben, daß ein Herr wie Ihr mir nahelegt...«
»Aber ich habe Euch doch gar nichts nahegelegt!« widersprach Jim. »Wie ich soeben darlegen wollte, wäre mir ein solcher Vorschlag, wie Ihr ihn mir unterstellt, niemals in den Sinn gekommen. Ich habe mir bloß gedacht, Ihr könntet ihn in aller Öffentlichkeit aus der Reserve locken. Wenn der Raum nicht voller Menschen ist, braucht Ihr ihn gar nicht zu beachten. Haltet Euch nur fern von ihm! Ich möchte bloß sehen, wie er sich in der Öffentlichkeit verhält.«
Liseth wurde unvermittelt wieder umgänglich, von deren >Sir!< Jim eben noch die Ohren geklungen hatten.
»Verzeiht mir, wenn ich Euch mißverstanden habe«, sagte sie und schlug die Augen nieder. »Ich bin schließlich noch ein junges, naives Mädchen. Es fällt mir nicht immer leicht, den Gedankengängen eines Magiers zu folgen, der alt genug ist, um mein -Vater sein zu können.«
Jim zuckte innerlich zusammen. Er war sich absolut sicher, daß er höchstens acht Jahre älter war als Liseth. Allerdings wäre es unklug gewesen, sie auf ihren Irrtum hinzuweisen. Hauptsache, sie hatte sich wieder beruhigt.
»Ganz im Gegenteil«, meinte er beschwichtigend. »Für Euer Alter seid Ihr ausgesprochen klug. Ich nehme an, das habt Ihr von Euren Eltern geerbt, und dazu beigetragen hat zweifellos auch die Verantwortung, die Ihr für die Burg übernommen habt, in der es all die Jahre über keine andere Frau Eures Ranges gab. Bloß deshalb mache ich Euch einen solchen Vorschlag, weil ich weiß, daß Ihr Männer im Zaum zu halten versteht. Ihr werdet MacDougall nur so weit an Euch heranlassen, wie Ihr es wünscht. Ich bin mir sicher, daß Ihr dazu fähig seid.«
»Das würde ich nicht abstreiten wollen«, sagte Liseth. »Teilweise mögt Ihr wohl recht haben. Ich bin in der Burg auf mich allein gestellt und habe dabei auch einiges über den Umgang mit Männern gelernt. Also gut, ich werde tun, was Ihr verlangt. Allerdings bitte ich Euch, mir dabei freie Hand zu lassen
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