Drachenritter 04 - Der Drache im Krieg
sehe sie jetzt. Ein kleines Boot. Mit sechs Männern an Bord, von denen einer große Mengen Blut verloren hat und ein anderer einen Dolchstoß in die Brust bekommen hat. Habe ich recht?«
»Ja!« rief Jim. »Warum? Könnt Ihr sie sehen? Könnt Ihr sie heilen? Es sind Kampfverwundungen; Carolinus sagte, es sei möglich, Kampfverwundungen mit Magie zu heilen, auch wenn man auf diese Weise keine Krankheiten kurieren könne. Ich bin nur ein Magier der dritten Kategorie, daher kann ich Ihnen nicht helfen, aber vielleicht könnt Ihr ...«
»Martti Lahti, junger Mann«, antwortete sein Nachbar. »Magier der Kategorie Zwei Plus. Nein, ich kann sie nicht heilen, dazu bedarf es eines Magiers vom Format Eures Meisters. Aber ich werde Euch sagen, was ich tun kann. Ich kann sie für - sagen wir - eine halbe Stunde aus der Zeit nehmen. Dies bedeutet, daß sie während dieser halben Stunde das Vergehen der Zeit nicht wahrnehmen, ihre Wunden nicht bluten und jegliche Schäden, die ihnen zugefügt wurden, sich nicht verschlimmern werden. In einer halben Stunde wird das Duell vorüber sein. Ihr könnt nur hoffen, daß Euer Meister als Sieger daraus hervorgehen wird.«
Jim spürte, wie eine unerwartete Kälte sich seiner bemächtigte.
»Ihr glaubt doch nicht, daß er verlieren wird?« fragte er.
»Verlieren?« sagte Lahti. »Nun, die Möglichkeit besteht natürlich immer, junger Mann. Womit ich nichts gegen Euren Meister gesagt haben will, Ihr versteht. Er ist ein großer Magier und ein bedeutender Mann. Noch eine halbe Welt von uns entfernt kennen die Menschen seinen Namen und reden von ihm, wie sie von Merlin reden.«
Er hielt inne und sah Jim an, als überlege er, wieviel er ihm anvertrauen konnte.
»Aber es herrscht da allgemein ein gewisser Eindruck«, fuhr er fort. »Es ist nur gerecht zu sagen, daß man sein fortgeschrittenes Alter bedenken muß. Möglich, daß er langsam ein wenig nachläßt, ihr versteht schon. Ich meinte nichts Ernstes, nur daß er nicht mehr so viel Biß hat wie früher. Normalerweise wäre das nicht weiter tragisch - aber bei einem Wettbewerb wie diesem, in dem er es mit einer sehr starken zweiten Kategorie aufnehmen muß, einem Mann, der seit Kindertagen östliche Magie praktiziert hat, besteht eine gewisse Möglichkeit...«
Seine Stimme verlor sich.
»Ich verstehe«, antwortete Jim langsam. Er fühlte sich seltsam leer. Eine plötzliche Angst bemächtigte sich seiner. »Was wird geschehen, wenn er verliert?«
»Wenn er verliert?« wiederholte Lahti. »Als Bußgeld wird man ihm den größten Teil seiner Magie nehmen und ihn in die dritte Kategorie zurückstufen. Dieses Bußgeld wird dann zu gleichen Teilen unter uns anderen aufgeteilt - es macht pro Kopf nur eine unbedeutende Summe aus, ihr versteht, aber das ist das Prinzip. Natürlich wird er immer noch über das Wissen und die Fähigkeiten verfügen, die er jetzt hat. Die kann ihm niemand nehmen. Aber er wird genug Magie aufbauen müssen, um sich wieder für die Arbeit auf dem Eins-Plus-Niveau zu qualifizieren - falls ihm das jemals gelingt -, bevor er wieder in diesen Rang erhoben wird.«
Jim spürte, wie ihn eine Woge der Kälte überschwemmte. Wenn Carolinus plötzlich nicht mehr Magie besaß als Jim, wie sollte er dann Dafydd und Brian nach Malencontri bringen, dem einzigen Ort, an dem sie die notwendige Pflege bekommen konnten. Und die nächste Frage - woher sollte Carolinus dann die Magie nehmen, um die beiden zu heilen?
»Macht nicht so ein ängstliches Gesicht, junger Mann«, sagte Lahti. »Es ist durchaus möglich, daß Son Won Phon der Verlierer sein wird.«
»Son Won Phon?« Der Name explodierte von Jims Lippen.
»Ihr kennt ihn?« fragte Lahti. »Ja, es sieht so aus, als hätte er Carolinus wegen seiner Kenntnis der östlichen Magie und seines Rechts, diese zu lehren, herausgefordert. Hattet Ihr etwas mit der Sache zu tun?«
»Ja!« stieß Jim zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Es war also alles seine Schuld, weil er bei Ecotti und dem König von Frankreich Hypnose angewandt hatte. Wenn Brian und Dafydd an ihren Wunden starben, weil Carolinus ihnen nicht helfen konnte, lag es daran, daß Jim Kenntnisse des zwanzigsten Jahrhunderts benutzt hatte.
In der Zwischenzeit mußte er hier sitzen und dem Duell zusehen. Und hoffen. In der Zwischenzeit - der Gedanke kam ihm ganz plötzlich - hatte Lahti, der hier neben ihm saß, seine Hilfe angeboten.
»Habt Ihr sie schon aus der Zeit genommen?« fragte er an Lahti
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