Drachenritter 04 - Der Drache im Krieg
mit seinen Kiefern gegen Jim wehren konnte, aber Jim schlug mit den Flügeln und hielt seinen Körper um Armeslänge von der Schlange entfernt. Im Grunde hielt er damit auch Essessilis Kopf hoch - so daß Essessili, als er einen Augenblick später versuchte, den Kopf zu senken, um seinen ganzen Körper herumzurollen und sich auf Jim zu wälzen, genau dies nicht zu tun vermochte.
Die Kraft von Jims Flügeln reichte nicht, um einen ausgewachsenen Menschen hochzuheben. Ganz gewiß reichte sie nicht annähernd, um auch nur einen Teil der Seeschlange anzuheben, aber sie genügte, um den Kopf, die Kiefer und den ein klein wenig schmaleren Hals dahinter vom Boden fernzuhalten. Es war so, wie er gehofft und mehr oder weniger erwartet hatte. Die Schlange mußte den Kopf senken, um sich herumwälzen zu können. Das war Jim aufgefallen, als er die anderen Seeschlangen dabei beobachtet hatte, wie sie alle ihre Köpfe senkten und sich auf die Seite rollten, wenn sie zu den Drachen am Himmel hatten aufblicken müssen.
Der Kampf entwickelte sich zu einer Willensprobe, in der die Kräfteverteilung auf beiden Seiten annähernd gleich war: Jims Drachenkraft gegen die Kraft von Essessilis Hals. Der Hals war tatsächlich dünner als der übrige Leib, aber doch nicht so dünn, daß Jims sechs Zoll lange Klauen und die zehn Zoll langen knochigen Finger, zu denen sie gehörten, sich tief genug in das Fleisch hätten hineinbohren können, um eine lebenswichtige Stelle zu erreichen. Offensichtlich, dachte Jim, war er immer noch zu weit hinten am Hals.
Einer jähen Eingebung folgend benutzte er seine Flügel, um Essessilis Augen zu bedecken, so daß die Schlange kurzzeitig blind war, und in diesem Moment, in dem Essessili aufhörte zu kämpfen, um herauszufinden, was eigentlich los war, bewegte Jim sich eine Handbreit weiter vor und wollte gerade das nächste Stück in Angriff nehmen, als Essessili seine Absicht erkannte und sich heftig schüttelte.
Jim klammerte sich verzweifelt an den Schlangenmann, um nicht den Halt zu verlieren. Essessili schüttelte sich noch eine ganze Weile, konnte aber offensichtlich nicht unbegrenzt damit fortfahren. Das Schütteln verlangsamte sich, und Jim ergriff während einer kurzen Pause die Gelegenheit, auch seine linken Klauen weiter nach vorn zu bewegen. Jetzt befanden sich seine beiden Klauen Seite an Seite weit vorne an Essessilis Kehle. Er legte seine ganze Kraft in seine Finger und versuchte, seine Krallen so weit in das Fleisch der Schlange zu treiben wie nur möglich.
Essessili wurde rasend. Er versuchte nicht länger, sich auf Jim zu wälzen, sondern zuckte und wand sich nur noch, als wolle er Jim um jeden Preis abschütteln. Jim spürte, daß sein Griff schwächer wurde, obwohl er sich nach Kräften bemühte. Er schloß die Augen und konzentrierte sich. Für Angie, dachte er; Jim gab sein Allerletztes für einen neuerlichen Stoß, um seine Klauen wenigstens noch ein klein wenig tiefer in Essessilis Fleisch zu bohren.
Essessilis Kopf krachte plötzlich auf die Erde, und sein Körper lag reglos da.
Einen Augenblick lang blieb Jim, wo er war, seine Krallen immer noch in die Kehle der Seeschlange gebohrt, benommen von dem, was er durchgemacht hatte und dem plötzlichen Ende des Kampfes. Dann kam er soweit wieder zu sich, daß er seine Klauen befreite. Schließlich stieg er von dem Körper der Schlange herunter und sah sich um.
Er blickte hinter sich - und sah die gewaltige grüne Woge von Seeschlangen so schnell wie nur möglich auf sich und die Burg zukommen.
Soviel also zum Ehrenwort einer Seeschlange - er konnte Rrrnlfs Stimme, die gerade in diesem Augenblick diese Worte sprach, in seinem Kopf hören. Er war vollkommen ausgelaugt, brachte aber noch genug Kraft auf, um sich in die Luft zu erheben, zumindest soweit, daß er außerhalb der Reichweite der näher kommenden Schlangen sein würde. Dann machte er kehrt, flog langsam und unter Qualen auf die Mauer zu und klammerte sich an ihren oberen Rand wie ein Schwimmer, der ein großes Gewässer durchquert hat und nun den äußersten Vorsprung der ersten Landspitze erreicht.
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E INEN A UGENBLICK HING er in der Luft, dann hoben ihn zwei gewaltige Hände - Rrrnlfs Hände, die ihn ganz sachte festhielten, um ihm nicht weh zu tun - über die Mauer und in Sicherheit und stellten ihn auf der Plattform ab.
Jim, der seine Umgebung nur verschwommen wahrnahm, brach auf der Plattform zusammen. Vor seinen Augen drehte sich alles. Drachen hatten
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