Drachenseele (German Edition)
mit seinem Kopf dicht an Nathus Gesicht heran. Er schnaufte tief.
„Eine solche Verbindung ist tabu, Narvalvar!“ In dem folgenden Satz betonte er jedes einzelne Wort. „Du bist ein Drache! Dein bisheriges Leben als Mensch ist definitiv aus und vorbei. Dieses Mädchen gehört der Vergangenheit an.“
Narvalvar spürte seinen heißen Atem. Nicole war eine wunderbare Frau, kein Mädchen.
„Die Veterinärmediziner warten nur darauf uns auseinander zu nehmen, uns zu studieren. Noch viel schlimmer ist das Militär, ihre Wissenschaftler sind noch skrupelloser, noch graus a mer. Wir Drachen leben nur deshalb noch, weil wir diesen Monstern aus dem Weg gehen. Wenn du sie durch deine G e fühlsduselei auf uns aufmerksam machst, zerstörst du das Werk von Jahrhunderten.“ Mit diesen Worten verließ Nathus die Ze l le.
Regeln
R ichard reiste einen Tag später ab. So machte Narvalvar auch mit Nikolaj Bekanntschaft, der für Nahrung und Wasser sorgte.
Jetzt, da es Narvalvar wieder gut ging, wurde die Metallwand vor dem Gitter nur zur Nachtruhe heruntergelassen. Tagsüber konnten die Drachen sich gegenseitig beobachten, vorausgesetzt der General schüttete sie nicht mit Drachengrundregeln zu. Er legte großen Wert darauf, dass man ihn dabei ansah. Einmal in der Woche gab es tatsächlich das versprochene Bad. Dazu wurden die Drachen sogar von ihren Ketten befreit, nicht aber von dem Ring um ihren Hals. Die hintere Wand fuhr zur Hälfte nach oben, entließ sie in eine kleine Höhle, deren Boden mit Meerwasser gefüllt war. Narvalvar fand allerdings keine Verbindung, kein Loch oder ähnliches wodurch das Wasser hinein gelangte. Richtig schwimmen konnte er hier nicht, dazu war nicht genügend Platz. Es fiel ihm sehr schwer, sich seinem Schicksal zu beugen. Angekettet, eingesperrt zu sein, brachten Gefühle in Wallung, die in seinem Inneren heftig schmerzten. Allein schon diese Sehnsucht, endlich mal wieder ausgiebig im weiten Meer zu schwimmen, sich frei bewegen zu können, nach Fischen zu jagen, schien ihm unerträglich. Jeden Moment mei n te er an diesem zunehmenden Schmerz sterben zu müssen. O bendrein kamen die Gedanken an Nicole, von denen er sich nicht lösen konnte und seine Empfindungen verschlimmerten.
Anfangs hatte Narvalvar versucht die Tage seit Richards Abreise zu zählen, doch in der Eintönigkeit der Tage, die sich l e diglich in den Themen des Unterrichtes unterschieden, verlor er den Überblick. Nikolaj blieb stets freundlich, redete ihn auch respektvoll an, aber er konnte Richard nicht ersetzten. Die Art, wie Nathus die Drachenregeln sowie Grundsätze vermittelte, ging an Narvalvar nicht spurlos vorbei.
Mit jeder weiteren Lektion begann er zu begreifen, wie bedeutend ein Drachenleben war. An manchen Tagen empfand er für Nathus sogar ein wenig Sympathie. Obwohl er eigentlich nur in der Gegenwart der anderen Drachen seinen Generalston he r auskehrte, verhielt er sich Narvalvar gegenüber besonders streng, als habe er Angst vor ihm.
An jenem Morgen brachte Nikolaj die Fischmahlzeit. Narvalvar verspürte keinen Appetit, was ihn selbst verwunderte. Doch sein Magen fühlte sich an, als habe er die ganze Nacht hindurch gegessen.
Am Abend verstärkte sich das Gefühl von Übelkeit, sobald er sich bewegte, blieb er liegen, schien alles in Ordnung zu sein. Die Symptome nahmen am nächsten Tag zu. Narvalvar brauchte nur an Essen zu denken, dann stülpte sich sein Magen um. Der General ließ die Metallwand wieder hinunter, als Nikolaj ihn offensichtlich von seinen Beschwerden berichtete.
„Also, von der Narkose kann das ja nun nicht mehr sein.“ Nathus sah ihm in die Augen. „Hast du so was schon früher einmal gehabt?“
Narvalvar schüttelte nur zaghaft den Kopf. Das mulmige Gefühl im Magen verstärkte sich.
„Diesmal warten wir nicht so lange, ich werde Richard gleich herbitten.“ Die Worte richtete er mehr an Nikolaj, der neben ihm stand.
Bereits am nächsten Abend war Richard zurück, um Narvalvar zu untersuchen. „Ich bin ratlos“, er schwenkte seinen Blick von Nathus ins Gesicht von Narvalvar. „Könnt Ihr mir erkl ä ren, was mit Euch los ist?“
Seine verneinende Kopfbewegung löste augenblicklich den widerlichen Brechreiz aus. Diese Tortur kostete ihn jedes Mal viel Kraft.
„Eine verdorbene Mahlzeit schließe ich aus, Drachen haben einen sehr empfindlichen Geschmack, da wäre jeder faule Fisch sofort bemerkt worden.“ Richard tastete Narvalvar diesmal nicht nur am Bauch ab,
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