Drachentempel 02 - Drachenfeuer
keine Ideologie, es ist Evolution. Sie wissen, dass unsere Vorfahren hierher kamen mit der Absicht, sich selbst zu verändern. Warum sind Sie so überrascht von dem, was Sie vorgefunden haben?«
»Niemand konnte ahnen, wie weit Ihre Modifikationen gehen würden. Wie haben nichts von dem hier erwartet. Hätten wir gewusst, was wir hier finden, wären wir ganz sicher nicht hergekommen.«
»Und doch sind Sie jetzt hier. Wie soll es nun weitergehen?«
»Wenn es nach mir geht? Wir fliegen wieder nach Hause.«
»Warum bleiben Sie nicht bei uns? Ihre Kinder hätten eine wunderbare Zukunft. Es würde ihnen niemals an irgendetwas fehlen.«
»Entschuldigen Sie, aber das klingt nicht einmal annähernd verlockend. Wenn ich diesen Helm abnehme, sterbe ich. Sie wissen es, und ich weiß es.«
»Ich könnte Ihnen im Uterus meines Hauses einen Sauerstofffilter züchten. Er wäre ein Teil von Ihnen, wie es dieser Anzug niemals sein kann. Sie würden in vollkommener Symbiose damit leben.«
Lawrence hob den Finger. »Hören Sie auf. Hören Sie augenblicklich damit auf. Ich werde ganz bestimmt nicht bei Ihnen bleiben, klar?«
»Warum nicht? Was fehlt uns? Ich spotte nicht, ich bin ehrlich neugierig. Sie scheinen so primitiv im Vergleich zu uns. Ich verstehe Ihr Zögern nicht. Möchten Sie sich denn nicht verbessern? Teil werden einer reicheren, erwachseneren Kultur als der Ihren?«
»Wir sind also die Primitiven? Wer von uns lebt denn in Lehmhütten, Lady? Ich würde eine Existenz wie diese nicht meinem schlimmsten Feind wünschen, ganz zu schweigen von meinen eigenen Kindern. Sie entwickeln sich schneller zurück, als der Fortschritt uns aus dem finsteren Mittelalter katapultiert hat. Sicher, diese Art zu leben mag verlockend wirken, Sie sind ja immer noch nahe dran an der industriellen Ökonomie, um zu glauben, dass das Leben stressfrei und reich an Karma sein kann. Noch zwei Generationen, und Sie sind nicht einmal mehr imstande, eine Erkältung zu kurieren, ganz zu schweigen von Krebs. Und das nennen Sie ein erfülltes Leben? Ich nenne es Betrug an Ihren Kindern.«
»Ah.« Calandrinia schüttelte entschieden den Kopf. »Jetzt beginne ich zu verstehen. Wie alt bin ich, Erdenmensch?«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung.«
»Ich bin vierzehn.«
Die Information verblüffte Lawrence. Er begriff einfach nicht, was sie mit allem zu tun hatte. »Tatsächlich?«
»Ja. Es waren nicht allein ihre biotechnologischen Talente, die unsere Vorfahren hierher auf diese Welt brachten, sondern sie brachten auch ein Sprichwort mit: Lebe schnell, stirb jung und hinterlasse einen wunderschönen Leichnam. Dank ihnen kann ich dies tun.«
»Wie lange leben Sie denn?«, fragte Lawrence. Er wollte die Frage eigentlich nicht stellen, denn er wusste irgendwie, dass ihm die Antwort nicht gefallen würde.
»Vielleicht dreißig Jahre. Können Sie sich eine so lange Zeit vorstellen? Wie sie sich am Ende dehnen muss?«
»Der Sauerstoff. Es ist der Sauerstoff, nicht wahr?«
»Selbstverständlich. Alles hier geschieht schneller. Dynamischer.«
»Aber … dreißig?«
»Dreißig ganze Jahre, während derer ich leben und lieben und denken werde. Was ist daran falsch? Warum wollen Sie so eine lange Zeit leben?«
»Leben bedeutet Erfahrungen sammeln. Das kann man nicht in dreißig Jahren. Es gibt so vieles im Universum zu erfahren.«
»Ich sammle Erfahrungen, mehr als Sie es jemals tun werden. Ich werde schneller erwachsen. Ich lebe schneller. Wir alle tun das. Das Leben auf dieser Welt ist so viel vitaler als Ihre langweilige Biologie. Was das Universum angeht, so befindet es sich in Ihrem Bewusstsein. Observation ist nur relativ. Ich kann die Sterne von hier aus beobachten, sie alle, während Sie in Ihren Blechbüchsen zwischen ihnen herumkriechen und immer nur einen zur gegebenen Zeit sehen. Ich weiß mein Leben zu schätzen, Erdenmensch. In meinem Gehirn gibt es weniger Erinnerungen, aber dafür viel mehr Gedanken.«
»Gedanken!«, schnaubte er. »Aber Sie benutzen sie nicht! Was für einen Sinn haben Gedanken, wenn man sie nicht ausprobieren, nichts erschaffen kann?«
Calandrinia stieß pfeifend den Atem aus, wie einige andere Neue Eingeborene auch. »Wir tun nichts anderes als erschaffen, Erdenmensch. Glauben Sie, wir haben Zeit, unsere Kinder auszutragen und zu gebären, wie eure Erdenfrauen es tun? Ich passe meine Kinder an die Welt an, wie ich sie sehe und kenne.«
»Sie reden von der Gestalt, stimmt’s? Das ist der Grund, warum Sie alle
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