Drachenzauber
sonderlich hilfreich waren.«
»Wenn ich dir mehr verraten hätte, hättest du nicht getan, was du tun musstest«, sagte eine leise geschlechtslose Stimme.
Ich sah mich um und bemerkte die alte Frau, die zu Aethervons Leuten gehörte und nun auf einem Stein saß - aber ich bezweifelte nicht, dass die Stimme selbst dem Gott gehörte.
»Warum hast du dann überhaupt etwas gesagt?«, fragte ich Aethervon.
»Weil meine Prophezeiung gesucht wurde.« Wie zuvor veränderte sich die Stimme von einem Augenblick zum anderen. »Ich habe geschworen, solange die Menschen mich hier aufsuchen, werde ich ihnen etwas über die Zukunft sagen.«
»Wer hat Prophezeiungen gesucht und dir damit die Gelegenheit gegeben, dich in meine Angelegenheiten einzumischen?«, fragte ich.
Der Mund der alten Frau lächelte, obwohl ihre Augen ausdruckslos blieben. »Einmischen? Nun gut, dieses Wort passt ebenso gut wie jedes andere.« Der Klang der Stimme eines jungen Mädchens aus dem Mund der alten Frau bewirkte, dass sich meine Nackenhaare sträubten. »Dein Drache machte sich Sorgen, du könntest nicht sein, was er glaubte. Er bat um meine Weisheit und hatte dann Probleme mit dem Preis, den ich verlangte. Ich habe dir die Möglichkeit gegeben, die Barrieren zu durchbrechen, die zwischen dir und deinem Magier bestanden.«
Ich war ein Shavig-Mann und diente keinen Göttern außer Siphern, dessen Gerechtigkeit das Nordland beherrschte. Obwohl Aethervon uns nun half, mochte ich ihn nicht.
Ich verzog verächtlich den Mund. »Du hast Oregs Wünsche benutzt, um ihn zu bestrafen. Er bat um Sicherheit, und du hast meine Schwester genommen, die zu schützen er geschworen hatte, und ihn gezwungen, den Schmerz seines Eidbruchs zu ertragen.
Oreg hatte schon genug Schmerzen erlitten, du brauchtest ihm nicht noch mehr zu bereiten.«
»Es erinnerte ihn daran, wer er war - dein Sklave und nicht dein Herr.«
»Oreg gehört niemandem«, fauchte ich. »Und hätte auch nie jemandem gehören sollen.«
Die Stimme des Gottes war nun ein tiefes Grollen, so viel mächtiger als die Stimme der alten Frau je sein könnte. Er klang verärgert. »Oreg gehört dir ebenso, wie Hurog dir gehört. Wenn man ihn nicht daran erinnert hätte, hätte sich dein Wille vor ihm gebeugt, wie sich der Setzling vor einem uralten Wind beugt, und das Böse, das die Welt verzerrte, hätte vielleicht weiterbestanden.«
»Du spielst mit dem Leben von Menschen«, sagte ich und erinnerte mich an die Augen meiner Schwester, die ausdruckslos gewesen waren wie die der alten Frau, und an Oreg, der sich am Fuß der Steinmauer, auf der sie stand, gewunden hatte. »Du vergisst, wie zerbrechlich sie sind.«
Der Gott lachte, weich wie Disteldaunen in der Nacht, und antwortete mir mit dem üppigen Samt der geübten Stimme einer Hure. »Zerbrechlich be-schreibt dich nicht sonderlich gut, Hüter des Drachen. Dreimal in Feuer geschmiedet bist du und gingst stärker daraus hervor - ebenso wie der, der König sein soll. Als der Junge, der er war, hatte er keine Gelegenheit, seinem Bruder zu trotzen. Aber mit der Kraft, von Jakovens Händen geschmiedet worden zu sein, wird er eine Schneise durch die Leichen seiner Feinde schneiden - oder zerbrechen wie eine Klinge, die zu sehr gehärtet wurde.«
Die Frau stand auf und verbeugte sich knapp, wie Stala mir beigebracht hatte, mich vor meinen Geg-nern zu verbeugen. Dann drehte sie sich um und verschwand im Wald.
Ich fluchte und wandte mich Kellen zu. »Seht Ihr, was ich meinte? Siphern rette mich vor den Launen der Götter von Tallven!«
Kellen lächelte, und diesmal lag eine Spur echter Heiterkeit darin. »Ich fühle mich nicht stark«, sagte er.
»Aber anders als du neige ich auch nicht dazu, mich mit Göttern zu streiten. Also werde ich mich fertig waschen und sehen, ob es mir morgen besser geht.«
Das ist es, dachte ich. Lass dir Zeit, dich neu zu erfinden. Und wenn das nicht funktioniert, versuche es wieder. Genau, wie ich es getan hatte.
Genau, wie ich es tat.
Entschlossen schob ich die kranke, gestaltlose Angst zurück, die mir aus der Zeit im Asyl erhalten geblieben war.
»Herr«, sagte ich, »ich wäre sehr dankbar, wenn Ihr meinen Drachen im Augenblick geheim halten würdet. Hurog wurde bereits einmal von einem Machtgierigen angegriffen, weil er hoffte, dort Drachenknochen zu finden - wer weiß, was solche Leute tun würden, wenn sie wussten, dass wir einen echten Drachen haben.«
Kellen zog die Brauen hoch, aber er nickte. Nachdem er
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