Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker
London nehmen.«
»Ich bringe Sie zum Bahnhof«, sagte Jonathan. Wir begaben uns alle ins Vestibül.
»Darf ich fürs Erste die Abschrift der Tagebücher behalten, die Sie freundlicherweise angefertigt haben?«, bat Dr. van Helsing,
als er seinen Hut aufsetzte und den Mantel überzog. Ich gestattete ihm das gern, denn wir hatten ja die Originale. Er dankte
uns für das Frühstück und reichte mir die Hand. »Frau Mina, erneut drücke ich Ihnen meinen tief empfundenen Dank für alles
aus, was Sie getan haben. Ich stehe hoch in Ihrer Schuld.«
»Ich freue mich, wenn ich Ihnen zu Diensten sein konnte, Herr Doktor.«
»Herr Harker, dürfte ich Sie um einen Gefallen bitten? Können Sie mir alle Unterlagen zeigen, die Sie über die Vorbereitung
Ihrer Reise nach Transsilvanien haben? Briefe des Grafen Dracula und dergleichen, sowie Einzelheiten zu seinem Besitz in Purfleet?«
|199| »Ich gebe Ihnen gern alles, was ich finden kann, Herr Doktor. Die Rechtsdokumente werde ich kopieren und Ihnen zusenden. Was
kann ich sonst noch tun? Was ist mit diesen fünfzig Kisten Erde? Ich möchte ihren Weg verfolgen! Ich erinnere mich, auf dem
Schreibpult des Grafen einen Brief gesehen zu haben, der an jemanden in Whitby adressiert war, vielleicht an ein Fuhrunternehmen.
Der Name steht gewiss in meinem Tagebuch. Ich kann dort Erkundigungen einziehen und Sie wissen lassen, was ich herausfinde.«
»Sie sind zu gütig, mein Herr«, sagte Dr. van Helsing und verneigte sich. »Es gibt so viel mehr, was ich Ihnen berichten könnte.
Eine große Aufgabe liegt vor mir. Doch ich fürchte, dass Dr. Seward und ich sie nicht allein zu bewältigen vermögen. Vielleicht
könnten wir uns alle in wenigen Tagen in London erneut treffen und einander mitteilen, was wir herausgefunden haben? Wollen
Sie uns helfen? Kommen Sie?«
Jonathan schaute mich an und las die Antwort aus meinen Augen ab. Er streckte seine Hand aus und ergriff die meine. Wie gut
es war, den Druck seiner Hand wieder so stark, selbstbewusst und entschlossen zu fühlen wie früher. »Wir kommen beide, Herr
Doktor.«
Dr. van Helsing verneigte sich erneut. »Ich danke Ihnen. Eine letzte Bitte: Frau Mina, würden Sie Ihre Schreibmaschine mitbringen?«
»Gewiss. Falls wir Ihnen in irgendeiner Weise behilflich sein können, diesen schrecklichen Grafen Dracula zu fangen und zu
vernichten, sind wir mit Herz und Seele dabei!«
Jonathan kehrte voller Energie und freudiger Erregung vom Bahnhof zurück, einige Zeitungen unter dem Arm. »Ich fühle mich
wie neugeboren, Mina! Ich werde helfen, dieses Ungeheuer zu finden und zu zerstören, und wenn es das Letzte ist, was ich auf
Erden tue!«
»Gott sei Dank hat Dr. Seward Dr. van Helsing um Hilfe gebeten, sonst wüsste ich nicht, was wir getan hätten.«
|200| »Ja. Allerdings schien ihn etwas sehr verstört zu haben, als ich mich auf dem Bahnhof von ihm verabschiedete.«
»Was meinst du damit?« Ich folgte Jonathan in den Salon, wo wir uns setzten.
»Wir hatten gerade die Morgenzeitung und die Londoner Blätter vom Abend vorher erworben, und während wir am Coupéfenster plaudernd
auf die Abfahrt des Zuges warteten, überflog er sie rasch. Plötzlich schien sein Auge wie erstarrt auf der
Westminster Gazette
zu haften – ich habe sie an dem grünen Papier erkannt, auf das sie gedruckt wird. Sein Gesicht wurde aschfahl, und er las
aufmerksam weiter, während er vor sich hinmurmelte: ›Mein Gott, mein Gott! So früh schon, so früh!‹ Ich erkundigte mich, was
geschehen sei, doch genau da ertönte die Dampfpfeife, und der Zug setzte sich langsam in Bewegung. Er winkte mir noch zum
Abschied mit der Hand zu.«
»Welcher Artikel hat ihn denn so in Schrecken versetzt?«, erkundigte ich mich, denn ich sah, dass auch Jonathan ein Exemplar
der
Westminster Gazette
erstanden hatte.
»Ich bin mir nicht sicher, habe aber das Gefühl, es könnte dieser hier sein.« Er reichte mir die Zeitung und deutete auf eine
Geschichte auf der Titelseite.
Das Geheimnis von Hampstead
25. September. In der Nachbarschaft von Hampstead spielen sich gegenwärtig Ereignisse ab, die eine auffallende Ähnlichkeit
haben mit denen, die unter den Schlagzeilen "Der Kensington-Horror", "Die Frau mit dem Dolch" oder "Die Dame in Schwarz" berichtet
wurden. Während der letzten zwei oder drei Tage ist es nämlich mehrfach vorgekommen, dass kleine Kinder von zu Hause fortliefen
oder nicht von ihren Spielen auf der Heide
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