Draußen wartet die Welt
gewissen Aufmerksamkeit rechnen.«
Als wir wieder bei Beth zu Hause waren, tranken wir in der Küche einen Tee – ein kleiner Brauch, den wir in diesen gemeinsamen Tagen begonnen hatten. Wir saßen schweigend zusammen, ein Teller mit Keksen vor uns auf dem Tisch, die dampfenden, duftenden Teetassen in der Hand.
»Es stört dich immer noch, wie die Leute uns anschauen«, wandte meine Mutter sich an Beth. Es war gleichzeitig eine Feststellung und eine Frage.
Beth nickte. »Ja, das tut es. Ich habe es schon immer gehasst, Becky. Ich habe dieses Leben so gehasst.«
»Dann hat John dich uns also gar nicht wirklich weggenommen.«
»Nein«, erwiderte Beth. »Ich wäre wahrscheinlich sowieso irgendwann gegangen. Er hat es nur leichter gemacht.«
»Weißt du, ich habe mich immer verantwortlich gefühlt«, gestand meine Mutter. »Ich habe mich immer gefragt, ob ich irgendetwas hätte sagen oder tun können, um die Situation zu ändern.«
Als Beth darauf antwortete, brachen die Worte förmlich aus ihr hervor. »Das hättest du sehr wohl.«
Die Stimme meiner Mutter klang ruhig und nüchtern, als sie fragte: »Was hätte ich tun sollen?«
Beth sah von ihrer Teetasse auf und suchte den Blick meiner Mutter. »Du hättest mir zur Seite stehen können, als ich unter dem Bann stand. Ich hätte deine Unterstützung gebraucht.«
Meine Mutter schüttelte traurig den Kopf. »Darum habe ich dir meine Geschichte erzählt. Ich wollte, dass du verstehst, dass ich dich einfach nicht unterstützen konnte, als sie beschlossen haben, dich unter den Bann zu stellen. Eine gute Amische zu sein, war die einzige Möglichkeit, die ich für mich gesehen habe, mein Leben wieder in den Griff zu bekommen.«
Beth stand vom Tisch auf und trug ihre Tasse zum Spülbecken. Ich sah meine Mutter an, aber sie hatte ihren Blick gesenkt und starrte auf ihren abkühlenden Tee. Schließlich begann Beth wieder zu sprechen, aber sie hatte meiner Mutter und mir noch immer den Rücken zugewandt. »Mir ist gerade etwas bewusst geworden«, sagte sie. »Dich hat man zu Hause wieder willkommen geheißen, weil du eine Lüge erzählt hast. Ich wurde fortgejagt, weil ich die Wahrheit gesagt habe. Ich schätze, die Amisch sind in dieser Beziehung ein bisschen komisch. Es spielt keine Rolle, ob du ehrlich bist oder nicht, solange du nur sagst, was sie hören wollen.«
Meine Mutter schob ihren Stuhl zurück und stand vom Tisch auf. »Ich habe mich die letzten zwanzig Jahre dafür bestraft«, sagte sie, und aus ihren Worten sprach Wut. »Du musst mich nicht auch noch bestrafen.«
Beth drehte sich um und sah meine Mutter an. »Ich verurteile dich nicht für das, was passiert ist, Becky. Ich finde, dass du sehr mutig warst. Aber es war einfach furchtbar hart, meine Schwester zu verlieren.«
»Für mich war es auch hart«, entgegnete meine Mutter. »Du hast mir das Herz gebrochen, als du aufgehört hast, mir zu schreiben.«
Ich hielt den Atem an und schaute zu Tante Beth hinüber. Ihre Augen waren weit aufgerissen, aber sie sagte nichts. Ich wandte mich an meine Mutter. »Dad hat Tante Beth geschrieben und ihr mitgeteilt, dass ihre Briefe dich aufwühlen. Er hat sie gebeten, dir nicht mehr zu schreiben, also hat sie aufgehört.« Ich schaute zuerst Beth an, deren Augen sich mit Tränen füllten, dann meine Mutter, die wie angewurzelt dastand und eine Hand auf ihren Mund legte. »Tante Beth dachte, du wüsstest über Dads Brief Bescheid«, fuhr ich fort. »Sie dachte, du hättest ihn gebeten, ihn für dich zu schreiben.«
Sie ließ sich wieder auf ihren Stuhl fallen und sank in sich zusammen. »Nein«, sagte sie. »Als keine Briefe mehr kamen, dachte ich, du seist fertig mit mir.«
Beth kam wieder zurück an den Tisch und setzte sich leise auf den Stuhl neben meiner Mutter. »Niemals, Becky«, sagte sie. »Ich werde nie mit dir fertig sein. Ich habe immer gehofft, dass du kommen und nach mir suchen würdest.«
Meine Mutter hob ihren Blick und sah Beth in die Augen. »Und jetzt habe ich es endlich getan.«
Sie saßen eine Weile schweigend da und sahen einander mit einem vorsichtigen Lächeln an, bevor Beth sich wieder erhob und die Teetassen einsammelte. Meine Mutter legte eine Hand auf Beths Handgelenk. »Warte«, sagte sie. Beth stellte die Tassen ab, setzte sich wieder und drehte ihren Stuhl, sodass sie meiner Mutter gegenübersaß. »Da ist noch etwas, was du verstehen musst.« Meine Mutter schluckte schwer und holte zitternd Luft. »Ich wollte es, Beth. Für
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