Draussen
Meditation zum Beispiel. Und mit »Harakiri«, also Felix, hatte ich darüber auch schon viel gechattet. Auch er hatte noch nicht die für ihn ideale Form gefunden – das zeigte irgendwie schon sein Nickname. Vor unserem Telefonat hatte er mir von einem Meditationswochenende bei einer amerikanischen Guruin – oder wie hieß die weibliche Form von Guru? Gura? –, jedenfalls hatte er von einem Wochenende erzählt, auf dem diese Frau die Teilnehmer zur Einstimmung erst mal in Feldwebelmanier mit »RELAX!!!« angebrüllt hatte. Es war eine Art Entspannungs-Bootcamp gewesen und Felix hatte sich – für mich verständlich – dort nicht wohlgefühlt und war schon vor dem abendlichen »Find-to-yourself«-Auspeitschen wieder abgereist.
Ich loggte mich bei »LiveLove« ein. Harakiri leuchtete grün. Er war also online.
Ich tippte.
Hey Felix, was geht, Digger? Wenn ich mich so ausdrückte, fühlte ich mich gleich 15 Jahre jünger.
Meine Sonne! Da bist du ja. Endlich hat mein Tag wieder einen Sinn! Wie geht’s?
Och joh, danke. Muss. Meine Woche fängt toll an. Hab gerade erfahren, dass ich nächstes WE arbeiten muss. Nerv.
Du Armel!!! Mitleid. Wenigstens was Schönes?
Geht. So ’n Event bei Köln. Wichtiger Kunde, und das weiß er auch.
Bei Köln??? Dann können wir uns ja endlich mal sehen!!! Hast Du da auch mal frei???
Stimmte ja! Daran hatte ich gar nicht gedacht. Ein Arbeitswochenende mit integriertem Blinddate, warum nicht das Unangenehme mit dem Nützlichen verbinden?
Ja, Sonntag tagsüber. Kaffeetrinken?
Sonntag ist super!!! Ich muss zwar am WE eine Zeichnung fertigmachen, aber das geht schnell. Lass uns in Köln treffen. Bist Du mit dem Auto da?
Nein, per Bahn. Treffen wir uns am Bahnhof?
Das ist toll! Um halb drei? Ich geb Dir mal meine Handynummer, für alle Fälle.
Kapitel 7 Ruhestörer
»You’re the one that I want, uh, uh, uh«, grölte ich, Arm in Arm mit Herrn Schneyder, den wir ab heute Willi nennen durften. Die Karaokebar war brechend voll und wir hatten lange warten müssen, bis wir endlich drankamen. Steffi hatte sich vor uns schon mit »Eternal Flame« zum Obst gemacht. »Nochmal drei Saure!« Sie klang bei ihrer Bestellung nicht mehr ganz taufrisch, kein Wunder, hatten wir doch vorhin beim Essen schon zu dritt zwei Flaschen Wein geleert. »Prost, Mädels! Auf weiterhin gute Zusammenarbeit!« Willi strahlte. Es war meine Idee gewesen, unseren besten Kunden hierher mitzuschleppen, und anscheinend war sie goldrichtig gewesen. Willi fühlte sich sichtlich wohl in dem bunten Haufen fröhlicher Menschen jeden Alters. Rotgesichtige Anzugträger schunkelten mit gepiercten Punkfrauen und bärtige Szenemänner fläzten sich mit dürren Alster-Barbies in den Sitzsäcken, die um die winzige Bühne gruppiert waren. Jetzt waren drei etwa dreißigjährige Jungs an der Reihe, von denen einer als Ballerina verkleidet war. Das war schon der vierte Junggesellenabschied, dem wir an diesem Abend begegneten.
Ich hatte »Highway to Hell« schon besser gesungen gehört, freute mich aber über ihre Auswahl und brüllte aus Leibeskräften mit, nicht ohne ordentlich in die Saiten meiner Luftgitarre zu hauen. Das Gitarrensolo erforderte meine komplette Aufmerksamkeit, und so bemerkte ich nicht sofort den Typen im Depeche-Mode-T-Shirt neben mir. »G-Dur! Das ist G-Dur!« schrie er in mein Ohr und zeigte mir den Griff auf seinem durchsichtigen Instrument. »Ah, danke! Ich hab mich schon gewundert, warum das so schräg klingt …«, brüllte ich lachend zurück. »Ich hol Bier, willst du auch eins?« fragte er mich, indem er sich so zu mir herunterbeugte, dass ich seinen Duft riechen konnte. Hmm, der roch aber gut. Ich nickte und machte den Daumen hoch. Er lächelte, drehte sich um und drängelte sich durch die Menschenmenge zum Tresen.
Als er kurz darauf zurückkam, drückte er mir ein Bier in die Hand. »Ich bin Marc. Und du?« – »Sara, danke.« Wir prosteten uns zu und er grinste mich an. »Du spielst eine Ia-Luftgitarre!« brüllte er in mein Ohr. »Danke!« antwortete ich. »Wollen wir mal rausgehen? Hier ist es so laut!«
»Wie feiern Junggesellenabschied, mein Kumpel kommt in den Eheknast nächste Woche«, sagte er und atmete tief die laue Sommerluft ein. »Oh, dafür bist du aber noch ganz schön fit!« – »Ja, ich hab keinen Bock, mich so total abzuschießen. Aber ich kann auch mit Alkohol fröhlich sein, so ist es nicht! Und du, mit wem bist du hier?« Ich erzählte von Willi und meinem Job in der
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