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Draussen

Draussen

Titel: Draussen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lachmann
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raffiniertes Shirt, das unglaublich gut zu meinem Silvesterrock passen würde. Diesmal drückte ich mir selbst die Daumen, dass es das noch in meiner Größe gab. Schnell hatte ich den Ständer mit diesen hübschen Tops entdeckt, aber es stand eine Frau davor und ich wurde unruhig. Was, wenn sie jetzt ausgerechnet das letzte Shirt in meiner Größe ergatterte? Schnell stellte ich mich neben sie. Zum Glück schien sie sich doch für andere schwarze Oberteile zu interessieren. Routiniert schob ich einen Bügel nach dem anderen zur Seite, bis ich tatsächlich noch ein Exemplar in M auftat. Ich riss es an mich, glücklich und gleichzeitig auf der Hut, wie ein Hund, der eben einen Knochen ausgegraben hatte und denselben vor dem restlichen Rudel zu verbergen suchte. Mit dem Shirt an mich gepresst, damit niemand auf die Idee kommen konnte, es mir zu entwenden, ging ich forschen Schrittes zur Umkleidekabine. Im Spiegel sah ich eine wunderschöne junge Frau in einem fantastischen Oberteil, das eigens für sie angefertigt schien. Schnell war es meins. Wo ich schon mal hier war, konnte ich ja ganz kurz noch nach dem neuen Kante-Album gucken. Ich ging also in die CD-Abteilung. Und plötzlich standen da drei Leute. Ein Typ mit einem Pärchen. Das war an sich noch nicht so ungewöhnlich, aber ich war tatsächlich wie vom Donner gerührt. Ich sah diesen Mann, und auch wenn es Liebe auf den ersten Blick schon millionenmal überall auf der Welt gegeben hatte: Ebendieser Moment war für mich der Vater aller Ersten-Blick-Verliebungen. Mir wurde schwindlig, mein Herz raste, meine Hände wurden nass, der Mund trocken, meine körperlichen Reaktionen waren geradezu kitschig. Klar war: Ich musste diesen Typen ansprechen. Die drei scherzten, zeigten sich gegenseitig CDs und plauderten fröhlich miteinander. Dabei hatte der uninteressante Mann meist den Arm um die Frau gelegt. Der Interessante passte genau in mein Beuteschema. Er war etwa so groß wie ich, mit wuscheligem dunklem Haar, einem leichten Dreitagebart, großen schwarzen Augen, einem etwas Charlie-Chaplin-ähnlichen Gang und einem Lächeln, das selbst eine frischgebackene Übermutter von ihrem Baby ablenken würde. Ich starrte ihn aus der Entfernung an und war unfähig, zu handeln. Gleichzeitig wusste ich, ich würde mir mein Leben lang Vorwürfe machen, wenn ich ihn jetzt nicht anspräche. Was konnte ich sagen? Krampfhaft versuchte ich mich an sämtliche Brigitte/Cosmopolitan/Freundin/Bravo-Ratschläge für diese Situation zu erinnern. Stolpern und auf ihn fallen? Nein, das war Rosamunde-Pilcher-Style. Die »Kennen-wir-uns-nicht«-Nummer? Das war eher James Bond für Arme. Hilfe! Sie verließen die CD-Abteilung in Richtung Herrenmode. Ich – unauffällig, wie ich fand – hinterher. Einfach nach der Uhrzeit fragen. Oder: »Hey, würdest du diesen Pulli mal für mich anprobieren? Ich will den verschenken, und der Typ, dem ich den schenken will, hat genau deine Größe!« An sich nicht so schlecht, die Idee. Aber am Ende dachte er dann noch, der Pulli wäre für meinen Freund! Die drei standen jetzt bei den Herrenunterhosen und lachten über die albernen Muster auf den Boxershorts. Ich musste ihn irgendwie alleine erwischen. Und dann irgendwas Intelligentes sagen. Ich konnte mich doch bestimmt auf meine Schlagfertigkeit verlassen. Da – die Frau ging zu einem Kleiderständer und rief ihren Freund, um ihm einen großgemusterten Pullover zu zeigen. Das war meine Chance. Ich ging zügig auf meinen Herzkönig zu. Aber just in dem Moment, als ich vor ihm angekommen war, drehte sich das Pärchen auch wieder zu ihm um. Noch bevor er mich fragend angucken konnte, entfuhr es mir: »Ich möchte dich ansprechen.« Soviel zum Thema Schlagfertigkeit. Er grinste. »Aber das tust du doch gerade!« – »Ja, äh, aber ohne die beiden.« Das hatte das Pärchen gehört und wandte sich lachend ab. Mein Herz raste, mir war etwas übel. »Wie heißt du?« preschte ich weiter vor. »Christian, und du?« – »Sara. Ohne H.« Ich grinste debil. »Ich würde gern mit dir mal einen Kaffee trinken gehen.« Ich war überrascht, wie leicht mir diese Worte über die Lippen gingen, ja, wie flüssig sie geradezu aus meinem Munde perlten. Und gleichzeitig war ich mörderisch gespannt, wie es nun weiterging. Es lag alles in seiner Hand. So musste sich ein Kandidat bei »Wer wird Millionär?« fühlen, der soeben die Millionenfrage beantwortet hatte und darauf wartete, ob seine Lösung richtig war. Das musste mir

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