Draussen
anderer am Buffet. Es ist nur noch Dinkel übrig.« Und damit drehte sie sich um und lief ihrem Ralfi hinterher. Na toll. Jetzt hatte ich auch noch Streit mit Connie. Das konnte ja eine herrliche Feier werden.
Vielleicht sollte ich mich mal mit dem Richter unterhalten. Nur so. Schließlich war er anscheinend außer mir der Einzige, der alleine hier war. Bestimmt saßen wir nebeneinander. Das war ja ein ungeschriebenes Hochzeitsfeier-Gesetz, dass Singles, wenn überhaupt welche da waren, nebeneinandergesetzt wurden. Ich schlenderte in Richtung Richter, mit einem, wie ich hoffte, strahlenden Lächeln im Gesicht. »Hallo, ich bin Sara. Herrlicher Tag zum Heiraten heute, ne?« wollte ich sagen. Ich hatte mir diesen Text selbst ausgedacht. Ich öffnete gerade den Mund, da kam eine bildhübsche junge Frau mit einem Säugling auf dem Arm auf ihn zu und küsste ihn auf den Mund. Er nahm beide zärtlich in den Arm, bevor sie mich fragend anblickten. Ich überlegte kurz und entschied mich dann, meinen Text trotzdem zu bringen. War auf jeden Fall besser, als einfach blöde grinsend vor ihnen stehenzubleiben. Also: »Hallo, ich bin Sara. Herrlicher Tag zum Heiraten heute, ne?« Beide guckten mich freundlich an. »Ja, könnte nicht besser sein. Ich bin Arne, das ist meine Frau Andrea und das ist unser kleiner Sonnenschein Elvis-Petrus.« Sanft strich er dem kleinen Baby über die Wange.
»Ist das erlaubt? Ich meine, darf man das?« fragte ich entgeistert. Ich hatte mich umgehend von dem jungen Glück verabschiedet und Connie und Ralf aufgesucht, um meinem Entsetzen Ausdruck zu verleihen. »Elvis-Petrus? Ich meine, das kann doch nicht ihr Ernst sein! Gut, Elvis’ Eltern haben ihn ja damals auch so genannt, aber das war in A-me-ri-ka! Und sie haben den Petrus weggelassen! Wie ist denn da die Gesetzeslage? Ist das nicht Diskriminierung? Kindesmisshandlung? Rufmord? Was ist mit der Genfer Konvention? Und wenn das Kind so alt ist wie Arne? Und nicht nur so scheiße aussieht wie sein Vater, sondern dann auch noch mit diesem Namen gestraft ist? Haben die noch alle Sammelteller in der Vitrine? Und du sagst, ich sei oberflächlich!« Ich strafte Connie mit einem vernichtenden Blick. »Was hat das denn damit zu tun? Gar nichts. Mein Gott, wusste ich denn, dass der einen Knall hat? Nö. Und verheiratet ist er auch. Na ja. Aber es freut mich, dass du zu ihm Kontakt aufgenommen hast. Du scheinst ja doch nicht so beratungsresistent zu sein, wie ich dachte.« Connie grinste. Ich machte ein schnaubendes Geräusch. »Man kann ja mal freundlich sein zu seinen Mitmenschen. Und jetzt lasst uns mal ans Buffet. Seht, wie die Menschen wanken unter der Last ihrer Teller. Sieht so aus, als seien die sieben dürren Jahre vorbei.«
Kapitel 12
Der Schwur
Trotz des romantischen Settings war diese Hochzeit so schlimm wie alle anderen. Die Eltern hielten peinliche Reden, zum Teil untermauert mit geradezu würdelosen Kinderdias der beiden Protagonisten, Mitglieder von Steffis Volkstanzgruppe tanzten wie Derwische zu unpopulärer Musik, und sogenannte Freunde aus Tims Studienzeit veranstalteten originelle, noch nie dagewesene Hochzeitsspiele wie »Herzblatt« und »gemeinsam einen Baumstamm zersägen« mit dem Hochzeitspaar, an dessen Stelle ich diverse Einladungen zu diesen Feierlichkeiten schon bitter bereut hätte. Ich wollte nie heiraten. Nie. Nicht, dass ich akut in Gefahr war, gefragt zu werden – aber wenn es passierte, würde ich nein sagen.
Wie peinlich Steffis Mutter in jedem zweiten Satz ihrer Rede um ein Enkelkind bettelte! Und diese Tanzgruppe: Wenn man schon ein so unsagbar abturnendes Hobby wie Volkstanz hatte, sollte man tunlichst vermeiden, das auch noch publik zu machen. Sich bei Nacht und Nebel in einen abgelegenen Tanzraum vor der Stadt zu schleichen, um bei gedämpfter Musik mit ein paar Gleichgesinnten erniedrigende Verrenkungen zu machen, war vielleicht in Ordnung, aber hier in aller Öffentlichkeit zuzugeben, dass man zu diesen grenzdebilen Bauer-sucht-Frau-Look-alikes gehörte, und freiwillig einen Mustermix zu tragen, dessen Anblick selbst für Blinde gesundheitsgefährdend war – das war nicht mutig, sondern grob fahrlässig.
Gottseidank gab es Prosecco. Ich saß an einem Tisch mit meinen Freunden. Ulf und Ulrike zählten fast nur noch als eine Person, sie saßen mehr auf- als nebeneinander und waren vom ganzen Drumherum unbeeindruckt. Wahrscheinlich hätten Tine Wittler + Team den gesamten Gasthof einmal ab- und als
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