Dray Prescot 01-Transit nach Scopio
Brise, Marmorstatuen standen in Wandnischen, von Efeu und anderen Gewächsen umrankt, Brunnen plätscherten. Natema wartete zurückgelehnt in einem frei schwingenden hängemattenartigen Sitz, dicht vor einem Geländer, hinter dem es tausend Fuß in die Tiefe ging. Hier jagten sich kreischend die Möwen.
Delia aus Delphond, in Perlen und Federn gekleidet, hockte in Demutshaltung vor ihren juwelengeschmückten Füßen.
Ich ließ mir keine Regung anmerken. Ich hatte die Situation sofort erkannt, und die Gefahr ließ mich für mein Mädchen erzittern. Denn Delia senkte auffällig rasch den Blick, als sie mich sah; Natemas stolzes Patriziergesicht war ihr zugewandt; sie beobachtete sie aufmerksam, und eine winzige Furche stand auf der Stirn über der hochmütigen Nase.
Das Gespräch nahm den erwarteten Verlauf. Meine Weigerung verblüffte Natema. Sie forderte ihre Sklaven auf, sich zurückzuziehen, damit sie uns nicht hören konnten. Sie betrachtete mich aufgebracht, das Haar vom Wind zerzaust, die kornblumenblauen Augen mit schwülem und sehnsüchtigem Blick auf mich gerichtet, so daß sie sehr hübsch und begehrenswert aussah.
»Warum weigerst du dich, Dray Prescot? Habe ich dir nicht alles geboten?«
»Ich glaube aber, daß du mich hättest töten lassen«, sagte ich langsam.
»Nein!« Sie verschränkte die Hände. »Warum, Dray Prescot, warum? Du hast für mich gekämpft. Du bist mein Ritter gewesen!«
»Du bist zu schön, um so zu sterben, Prinzessin.«
»Oh!«
»Würdest du mir all dies bieten, wenn ich nicht dein Sklave wäre?«
»Du bist mein Sklave, also mache ich mit dir, was ich will!«
Ich antwortete nicht. Sie blickte auf Delia, die ruhig an einem Stück Seidenstoff nähte und so tat, als sähe sie uns nicht an. Ihre Wangen waren gerötet. Natema zog die Mundwinkel herab. »Ich weiß!« sagte sie mit gepreßter Stimme. »Ich weiß! Das Sklavenmädchen hier! Wächter – bringt mir das Mädchen!«
Als die Chuliks Delia vorführten, hob sie das kleine Kinn und musterte Natema mit einem so stolzen und verächtlichen Blick, daß mein Blut in Wallung geriet. Mich beachtete Delia nicht.
»Sie ist der Grund, Dray Prescot! Ich sah es im Korridor, als du die fünf niederträchtigen Wächter erschlugst!«
Sie gab einen Befehl, der mich lähmte. Ein Chulik zog seinen Dolch und setzte ihn Delia über dem Herzen auf die Brust. Sein wächsern gelbes Gesicht war Natema zugewendet, und in aller Ruhe wartete er den nächsten Befehl ab.
»Bedeutet dir das Mädchen etwas, Dray Prescot?«
Ich starrte Delia an, deren Blick nun ruhig auf mir ruhte; sie hatte stolz den Kopf erhoben. Eine Königin unter den Frauen war Delia von den Blauen Bergen, die schönste Frau auf Kregen. Unvergleichlich! Ich schüttelte den Kopf und sagte verächtlich: »Ein Sklavenmädchen? Nein – sie bedeutet mir nichts.«
Ich sah, daß Delia schluckte, und ihre Lider zuckten einmal herab.
Natema lächelte wie ein Leem der Ebene – ein katzenähnliches Pelzwesen, dessen sich die Klansleute ständig erwehren müssen, um ihre Chunkrah-Herden zu schützen. Sie machte eine Geste, und Delia wandte sich wieder der Näharbeit zu. Ich bemerkte, daß ihre Finger zitterten, als sie die Nadel aufnahm; doch ihr Rücken war gerade, ihr Körper angespannt, und die Perlen schienen nur dank ihrer herrlichen Haut zu schimmern.
»Zum letztenmal, Dray Prescot – wie lautet deine Entscheidung?«
Ich schüttelte den Kopf, dankbar, daß Delia zunächst verschont geblieben war. Was nun geschah, kam schnell und war angesichts der Umstände zu erwarten.
Auf Natemas Kommando hin packten mich die Chuliks, zerrten mich zum Geländer und hievten mich halb hinüber, so daß ich über dem Abgrund baumelte. Tief unter mir rannte das Meer gegen eine lange Sandzunge am Ende der Insel an. Die Luft war frisch und salzig.
»Dray Prescot! Ein Wort! Ein Wort will ich hören, mehr nicht!«
Ich bildete mir nicht etwa ein, einen Sturz aus dieser Höhe überleben zu können; es war ein Risiko, bei dem die Chancen gegen mich standen. Natürlich konnte ich die Chuliks abschütteln, mir ein Rapier greifen, sie niederkämpfen und hoffen, daß ich im Labyrinth des Palastes zurechtkam. Aber andererseits nahm ich nicht an, daß mich Prinzessin Natema so einfach opfern würde. Als mir dieser Gedanke durch den Kopf schoß, schalt ich mich sogleich einen Narren – denn immerhin war sie gewöhnt, zu tun, was sie wollte, und erfüllt zu bekommen, was sie sich wünschte. Doch wenn sie
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