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Drei Frauen und los: Roman (German Edition)

Drei Frauen und los: Roman (German Edition)

Titel: Drei Frauen und los: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delia Ephron
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Kirche, die er bauen würde, die Armut, die er bekämpfen würde, die Seelen, die er erlösen würde, wenn sich das Wort des Herrn Jesus Christus aus ihm ergoss. Sie stellte sich vor, an seiner Seite zu sein, Babys im Arm zu halten, deren Bäuche vor Hunger aufgebläht waren, kranke Mütter zu trösten, durch den Dschungel zu laufen, wo Affen über ihr an den Ästen baumelten. Während er redete, lauschte sie voller Begeisterung. Sie war seine erste Verehrerin, die Erste, die ihn ahnen ließ, wie es auf der Kanzel sein würde, wo er schließlich seine Worte für Gottes Wort und sich selbst für Gott halten sollte.
    Einen Monat vor der geplanten Abreise, mitten im Impfprogramm, das sie gegen mindestens sieben grässliche Krankheiten schützen sollte, wurde Harry eine Stelle angeboten: Pastor an einer Kirche in Ambrose, Virginia, einem Ort mit dreitausend Einwohnern. Es war eine feste Anstellung. Die wollte sich Harry nicht entgehen lassen. »Längst nicht so weit weg, doch die Herausforderungen werden nicht geringer sein«, erklärte er ihr.
    So begann das Leben, in dem jeder Wunsch eine Sünde war.
    Sie zogen in ein bescheidenes Haus, ein Geschenk der Kirchengemeinde. Die gespendeten Möbel waren alle gebraucht: ein Schaukelstuhl aus Holz, eine mit Jeansstoff bezogene Couch mit Knöpfen und Aufnähern aus kariertem Stoff, ein kleiner runder Hocker aus braunem Samt, in der Küche ein knorriger Kieferntisch mit sechs Stühlen. Im Obergeschoss gab es zwei Schlafzimmer, eines für sie beide und eines für die Kinder, sowie ein Badezimmer. Ein mit Teppichen ausgelegter Kellerraum verfügte über Regale, auf die Harry seine Bibeln, Bücher über die Bibel und die Heiligen und die Gesamtausgabe von C. S. Lewis stellte. Ritas Gedichtbände und Romane blieben in einem Karton, der in dem kleinen Schrank stand, wo auch die Mäntel aufbewahrt wurden.
    »Drei Kinder«, sagte Harry. »Warum sollten wir noch warten?«
    Pflichtbewusst bekam sie Kinder – drei Söhne innerhalb von drei Jahren. Drei Jungen unter vier Jahren und keine Hilfe im Haushalt. Es schicke sich nicht für die Frau eines Pastors, eine Haushaltshilfe anzustellen, erklärte er ihr. Auch ein Babysitter kam nicht infrage. Rita stand kurz vor dem Zusammenbruch.
    Ob er sie schlug?
    Nein, aber Rita kann jemandem, der so jung und so unschuldig ist wie Tracee, auf keinen Fall anvertrauen, welchen beiläufigen Grausamkeiten sie ausgesetzt war. Davon will sie ihr nicht erzählen. Sie schämt sich, weil ihr das so wehgetan hat, und es tut noch immer weh, sich daran zu erinnern.
    »Warum haben Sie Rita geheiratet?«, wollte ein Gemein demitglied einmal von Harry wissen. Rita kannte die Geschichte nur, weil Harry sie einige Jahre nach ihrer Hochzeit beim sonntäglichen Mittagessen mit einer Gruppe Kirchenmitgliedern zum Besten gegeben hatte. »›Warum haben Sie Rita geheiratet?‹, fragte mich ein Mann, der Probleme in seiner Ehe hatte«, berichtete Harry. »Ich sagte zu ihm: ›Das war ein Akt der Barmherzigkeit.‹«
    Alle lachten. Es war der einzige Witz, den Harry jemals erzählte, und er war nicht lustig. Rita wusste sofort, dass es stimmte. Endlich begriff sie. Er hatte sie geheiratet, weil es ihn zu einem besseren Christen machte, wenn er eine Frau nahm, die sonst niemand wollte.
    Natürlich gestand Harry seine eigenen Unsicherheiten niemals ein.
    Sie sehnte sich nach einer Freundin, aber Harry war dagegen. Vielleicht sorgte er sich, sie könnte seine Geheimnisse ausplaudern: dass er zwei Hemden durchschwitzte, wenn er vor der Gemeinde sprach, dass er aus lauter Nervosität in der Nacht davor schreckliche Bauchschmerzen hatte, und dass er an den Fingernägeln kaute, obwohl das ohnehin jeder sehen konnte. Harry war menschlich. Es war schwer, das zu verbergen, aber er gab sich alle Mühe.
    Rita entdeckte schnell, dass er ein Gewohnheitstier war. Jeden Morgen aß er zum Frühstück Fertighaferbrei mit geschnittener Banane und braunem Zucker. Zu Abend essen wollte er um Punkt sechs. Das Essen am Sonntagmittag nach dem Gottesdienst war immer das gleiche – aufgeschnittener warmer Kochschinken, Brötchen, selbst gemachter Kartoffel salat und grüner Salat mit einer bestimmten Fertigsalatsoße, die Harry liebte. Er war wie ein Hund, nichts konnte ihn glücklicher machen als die immer gleichen Dinge zur immer gleichen Zeit. Das Leben war gut, wenn der morgige Tag nicht anders, sondern ganz genauso war wie der Tag davor. Zu jeder Mahlzeit trank er einen großen Becher Milch.

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