Drei Frauen und los: Roman (German Edition)
kaut Dentyne-Ice-Kaugummi – sie verbraucht mehrere Päckchen täglich. Bald werde ich das aufgeben, denkt sie. Ich werde dieser Sache mit großer Geste abschwören und etwas anderes finden. Etwas anderes, um die Leere zu füllen. Sie lässt das Kaugummi laut knallen.
»Willst du nach Disney World?«, fragt Tracee.
»Jetzt?«
»Nein, irgendwann mal.«
»Darauf bin ich noch nie gekommen.«
»Ich würde gern mal hinfahren.«
»Bestimmt würde Tim das mit dir machen.«
»Ich frage mich, ob May und Gil gern hinfahren würden.«
»Wer ist das?«
»Tims Mom und ihr Freund. Mit Gil habe ich gar nicht gesprochen, er ist wieder ins Bett gegangen. Familien fahren immer nach Disney World, denke ich. Lana, Tims Mom ist so nett. Sie ist wirklich der netteste Mensch der Welt. Sie war mal Miss North Carolina. Und hat beim Miss-America-Wettbewerb mitgemacht.«
»Du machst Witze.«
Tracee lächelt breit. »Ich wusste, dass dich das beeindrucken würde.«
»Tims Mom?«, fragt Lana ungläubig.
»Er ist hübsch«, sagt Tracee, um Lana aus der Richtung zu lenken, in die sie gerade unterwegs ist – zu einer Bemerkung darüber, dass man nie glauben würde, jemand, der aussieht wie Tim, den Lana mal als »dümmlichen Kerl« bezeichnet hat, hätte eine schöne Mutter.
»Klar. Natürlich ist er hübsch. Wie weit ist sie gekommen?«
»Nicht besonders weit. Sie musste nicht mal singen.«
»Trotzdem …«
»Ich weiß. Sie sieht noch immer super aus, oder?«
Lana versucht sich zu erinnern. »Ich habe sie kaum angeschaut. Ich war so wütend.«
»Hältst du mich wirklich für eine Chaotin?«, fragt Tracee.
»Was?«
»Ich bin eine Chaotin. Du hast recht, ich bin eine.«
»Nein, ich bin eine Chaotin«, sagt Lana. »Ich gebe allen anderen die Schuld an meiner eigenen Misere. An dem, was mit mir falsch ist. Marcel … Irgendetwas an dem Herumhängen mit ihm macht die Sache klarer, aber dann versaue ich es wieder. Lass mich von der Leine, und ich versau’s. Tut mir leid, dass ich dich angeschrien habe.«
»Schon okay.«
»Nein, ist es nicht. Du bist es bloß gewöhnt. Ich habe sein Konto abgeräumt.«
»Was hast du?«
»Das von meinem Vater. Ich stand hinter ihm am Bankautomaten, als er seinen Code eingetippt hat. Und eines Nachts habe ich mir seine Karte geschnappt, du weißt, er hat seine Brieftasche immer auf den Schreibtisch gelegt, hat seine Hosentaschen ausgeleert und alles dorthin gelegt, Brieftasche, Wechselgeld, Schlüssel … Ich habe sie benutzt und zurückgebracht. Er hat es nicht gemerkt, na ja, bis er wieder zur Bank gegangen ist. War kinderleicht.«
Lana ist eine Diebin. Lana ist eine Diebin genau wie ich. Wie erstaunlich. Wie schrecklich, und dennoch kann Tracee sich nicht dagegen wehren. Sie verspürt noch etwas anderes. Einen Anflug von Glück.
»Was ist?«, fragt Lana. Sie hat gemerkt, dass Tracee ein Gedanke durch den Kopf geschossen ist, an einem winzigen Anzeichen, einem Leuchten in ihren Augen.
»Nichts. Wie viel hast du genommen?«
»Genug. Ich hab’s versoffen.«
»Kein Wunder …«
»Was?«
»Kein Wunder, dass er nicht mehr mit dir redet.«
»Ja. Kein Wunder.«
Lana wühlt in ihrer Handtasche, zieht ein Päckchen Dentyne Ice hervor, drückt mehrere Stücke heraus, wirft sie in den Mund und kaut. »Dieser Kaugummi ist eine Sucht, weißt du. Sucht verändert.«
»Ich versteh das noch immer nicht ganz«, sagt Tracee.
»Eine Sucht hast du dein ganzes Leben lang.« Lana bemüht sich, diese Feststellung fröhlich auszusprechen.
»Ich meine, das mit deinem Vater.« Tracee geht auf die andere Seite und setzt sich aufs Bett, Lana gegenüber. Sie würde gern ihre Hand nehmen, würde sie gern umarmen, aber jetzt hat Lana diese strenge Miene mit dem steifen Unterkiefer.
»Er hat rausgefunden, dass ich trinke. Er hat alles rausgefunden. Dass ich von der Uni geflogen bin, die ganzen Lügen.« Genervt, weil sie das erklären muss und weil sie selbst hört, wie aufgewühlt sie ist, resigniert Lana. Sie hat ihren Vater beklaut und damit seinen Stolz auf sie gestohlen. Sie kann nicht weinen. Sie erlaubt es sich nicht. Sie hat nicht das Recht dazu. Aber sie schwankt noch immer so sehr hin und her, als wäre sie betrunken und hätte ihre Gefühle überhaupt nicht im Griff. Sag’s doch einfach, ermahnt sie sich, sag es, als ob es gar keine Rolle spielt. »Er hat mir erklärt, ich müsste erst wieder in Ordnung kommen.«
»In Ordnung.«
»Nüchtern werden. Sonst würde er mir nicht helfen, ich dürfte
Weitere Kostenlose Bücher