Drei Tage voller Leidenschaft
bereit, noch deutlicher zu werden, falls ich mich weiter vorwage. Angesichts dieser öffentlichen Zurschaustellung schmolz ihr Mut dahin wie Schnee in der Sonne.
Madame Vevay war entzückt von der Vorstellung, eine solche Schönheit zu kleiden, eine Schönheit, die durch den Hauch von Unschuld, der von ihr ausging, noch verstärkt wurde. Vielleicht war es genau diese zarte Jugendlichkeit, die den verwöhnten Geschmack von Prinz Kuzan gereizt hatte. Diese Geliebte war ja kaum älter als ein Kind. Ihre schlanke, wohlproportionierte Gestalt würde die ausgefallensten Kreationen von Madame Vevay wunderbar zur Geltung bringen, und auch der Stand einer Kusine und Witwe würde sie nicht auf züchtige, bescheidene Schöpfungen beschränken. Madame Vevay stellte sich vor ihrem inneren Auge bereits eine gute Verwendung ihres byzantinischen Tussahstoffs im Lager vor.
»Ich habe einen wunderbaren Stoff, den es geradezu nach einer solchen Schönheit verlangt, um beiden gerecht zu werden«, schmeichelte sie – und einen so wohlbestallten Patron, der die hohen Kosten eines so seltenen Stoffes finanziert, fügte sie in Gedanken hinzu. Was für eine entzückende Kombination diese beiden prachtvollen Geschöpfte bildeten!
Katelina zerrte indessen beharrlich an Nikkis Hand. Ihr waren diese Modeangelegenheiten völlig egal.
»Onkel Nikki, wann kann ich endlich meine Eisenbahn bekommen? Du hast es versprochen!« jammerte sie und sprang ungeduldig auf und ab. Prinz Kuzan reagierte völlig unerwartet mit einer Bewegung, bei der alle, die diese Szene beobachten mochten, nur verwundert die Brauen hochzogen: Er beugte sich freundlich zu dem bettelnden Kind herab und beruhigte sie leise in Finnisch.
Dann suchte er in seinen Taschen und gab Katelina ein paar russische Silberrubel, richtete sich wieder auf und reichte der wartenden Rakeli ebenfalls einen Beutel Rubel. »Bist du glücklich?« fragte er das strahlende Kind. Dann erteilte er Rakeli Anweisungen: »Wenn ihr in dem Spielzeugladen fertig seid, wartet mit Feodor draußen, bis wir hier alles erledigt haben. Viel Spaß. Feodor weiß den Weg. Gib deiner Muter einen Abschiedskuß, du kleines Braunauge«, befahl er dann leise.
Das strahlende Kind schlang die Ärmchen um die Taille der Mutter und reckte ihr das Gesicht zu einem Kuß entgegen. Alisa lächelte ihre glückliche kleine Tochter an und beugte sich herab, um sie zu küssen.
»Bedanke dich bei Prinz Kuzan«, ermahnte sie sie sanft.
»Danke, Onkel Nikki!« rief Katelina, während sie schon auf die Tür zustürmte, Rakeli im Schlepptau.
Onkel Nikki? Diese Anrede ließ selbst Madame Vevays unerschütterliche Brauen in die Höhe schnellen. Prinz Kuzan hatte keines seiner zahlreichen natürlichen Kinder jemals offiziell anerkannt. Er war großzügig und fürsorglich, was ihre Stellung in der Welt anging, hatte sie aber niemals rechtmäßig anerkannt. Sein Lebensstil hatte bislang Kinder hübsch ausgeklammert. Er bewegte sich nur in Kreisen, in denen Kinder weder gesehen noch jemals diskutiert wurden. Das war aber keine böse Mißachtung, sondern eher egoistische Gleichgültigkeit. In der Stadt war es jedem bekannt, welches Bankkonto er für Gräfin Souwanieffs letztes Kind eingerichtet hatte. Bankangestellte und Diener waren berüchtigt für ihre Klatscherei.
Und kein noch so geringer Aspekt eines Skandals ging an den Ohren der Dienerschaft unbemerkt vorbei.
Das hatte es noch nie gegeben, daß die kühle Zurückhaltung und der unerschütterliche Hochmut von Prinz Kuzan sich einem solchen Wirbelsturm an Begeisterung hingab. Außerdem sprach er in aller Öffentlichkeit mit dem kleinen Ding Finnisch. Noch nie hatte er sich soweit herabgelassen, außerhalb der Kaserne auch nur Russisch zu sprechen, weil Französisch die ausschließliche Umgangssprache der Gesellschaft war. Daher mußte diese frische, junge, schöne Frau an seiner Seite einen starken Einfluß auf ihn haben. Madame Vevay wurde von Neugier fast verzehrt.
»Wenn Madame mir bitte folgen wollen«, sagte Madame Vevay nun freundlich zu Alisa, dieser offensichtlich sehr gerissenen Frau, der es gelungen war, Prinz Kuzan zur Aufgabe seiner lebenslangen Gewohnheiten zu überreden, daß er sogar in aller Öffentlichkeit ein ungestümes kleines Kind beruhigte. Madame Vevay deutete auf eine offenstehende Tür, die in das Anprobierzimmer führte.
Aber der Prinz machte keinerlei Anstalten, sich hier ausschließen zu lassen. Er folgte den beiden Frauen hartnäckig in den Salon,
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