Drei Tage voller Leidenschaft
unendlich betörender Charme hatte seine Eltern schon immer um den Finger gewickelt – selbst wenn er nicht der einzige Überlebende und Erbe des ungeheuren, uralten Kuzanvermögens gewesen wäre.
»Du wirst Alisa heute abend zu Golschoffs Geburtstagsgesellschaft begleiten«, befahl sein Vater nun tonlos.
»Ist das tatsächlich ein Befehl?« fragte Nikki bitter. Tiefe Falten runzelten nun seine Stirn.
»Ja. Das wäre alles.« Prinz Michail war zufrieden, die Sache geregelt zu haben, und entließ seinen Sohn mit einer knappen Geste.
Das Gespräch war vorbei.
Nikki verließ die Bibliothek, benommen von der unvertrauten Wut seines Vaters, aber ebenso überwältigt von Frustration und Groll – beides viel gefährlichere Gefühle. Wenn ein nachsichtiger Elternteil plötzlich eine Kehrtwendung zur Strenge macht, wirkt das sehr demütigend auf einen erwachsenen Mann, der süchtig danach ist, jeden Wunsch erfüllt zu bekommen.
Das war nicht zum Aushalten! Nikki schwelte innerlich. Wie ein Diener herumkommandiert zu werden! Die beiden dickköpfigen Temperamente von Vater und Sohn stießen hier mit aller Macht aufeinander. Nikki hatte den Nachteil seiner Jugend und seiner ungestümen Unbeherrschtheit, die noch nicht durch Vorsicht gemäßigt waren, aber eine optimistische Haltung, daß man einen Weg finden würde, um dieses autoritäre Diktat seines Vaters zu umgehen.
Sein viel erfahrener Vater verfügte über Weisheit und Kenntnisse, die er einer scharfen Sicht der Welt und menschlicher Narrheiten in achtundsechzig Lebensjahren aufmerksamer Beobachtung abgerungen hatte. Er wußte, daß er sich durchsetzen würde, und damit hatte es sich.
Vor Wut schäumend verließ Nikki das Haus und verbrachte den Rest des Tages im Jachtclub, wo er verbissen dem Glücksspiel frönte.
Früh am Nachmittag war Prinz Michails Frau angekommen und hatte nach dem Auspacken im Ostsalon darauf gewartet, daß ihr Alisa vorgestellt würde. Prinz Michail hatte seiner Frau nur erzählt, daß sie keine von Nikkis normalen Liebschaften sei, und sie war nun darauf vorbereitet, Alisa zu mögen und zu akzeptieren, noch ehe sie sie kennengelemt hatte.
Die Damen verbrachten eine angenehme Stunde miteinander – sie sprachen über ihre Heimat und freudig über Alisas Kind. Als Alisa bat, sich vor dem Essen noch zurückziehen zu dürfen, machte sich Prinzessin Kaisa-Leena auf die Suche nach ihrem Gatten, um ihm zu sagen, daß auch sie Nikkis Wahl befürworte.
An diesem Abend führte Prinz Michail seine Frau sowie Alisa zum Essen und erklärte ihnen, daß Nikki auf der Gesellschaft bei Golschoffs zu ihnen stoßen würde. Kurz vor Beendigung des Essens erhielt Prinz Michail eine Botschaft:
»Bin unvermeidlicherweise verhindert. Bitte entschuldige. Ich werde euch später bei den Golschoffs sehen. N.«
Dieser Brief bedeutete eine direkte Herausforderung. Nikkis Vater lächelte leise. Der Junge hatte Mut. Das wußte er seit Jahren schon. Er war nicht so naiv, einen gefügigen, pflichtbewußten Sohn zu erwarten. Außerdem konnte er es sich im Moment leisten, zu warten. Man durfte seine Autorität nicht um jeden Preis hervorkehren. Zweifelsohne würde Nikkis Zuneigung zu seinen Eltern und zumindest Rücksicht auf Alisa den anfänglichen Widerstand überwinden. Prinz Michail war sicher, daß Nikki auftauchen würde.
»Nikki wurde aufgehalten und wird später zu uns stoßen«, erklärte er mit unverbindlicher Stimme. »Meine Damen, erlauben Sie mir das Vergnügen, zwei so schöne Frauen begleiten zu dürfen. Ehe wir gehen, haben wir noch Zeit zu einem Kartenspiel.«
Um halb elf machte sich das Trio auf den Weg aus dem Salon in die Halle und durch die hohe Doppeltür, die vor ihnen von zwei Dienern in kuzanscher Livree aufgerissen wurde. Der große, stattliche Prinz in seinem schwarzen Abendanzug, dessen Strenge nur von dem angesehenen Andreasorden an einem hellblauen Band gemildert wurde, wurde von zwei schlanken Frauen gerahmt, jede in einem wunderschönen Kleid aus raschelnder Seide. Die zierliche Gestalt der beiden wurde von der majestätischen Größe ihres Begleiters nur betont. Die kleine ›intime‹ Geburtstagsgesellschaft stellte sich als ein Ball mit dreihundert Gästen heraus. Alisa wurde als Verwandte des Prinzen vorgestellt und von dem Gastgeber freundlich empfangen, der bereit war, allen Launen von Prinz Michail stets gern nachzukommen.
Der Klatsch war natürlich Alisas Einführung in die engen Zirkel der russischen Gesellschaft
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