Drei Tage voller Leidenschaft
könnte nämlich gefährlich werden. Meine Beherrschung kennt Grenzen, und es geht nun schon seit vier Tagen so.« Er schenkte ihr einen sarkastischen Blick. »Ich bin überrascht über dein Talent für Beleidigungen. Das muß deine lange Lehrzeit unter Monsieur Forseus erbracht haben.« Er brach ab. »Ich betrachte meine brutale Zuwendung am ersten Abend in dieser Kutsche als verachtenswert. Das ist höchst betrüblich. Vielleicht kann ich als Entschuldigung Vorbringen, daß ich unter starkem Druck stand und daß du natürlich mit deinen stürmischen Wutausbrüchen sehr provokativ gewirkt hast. Verzeih mir. Es wird nicht wieder geschehen.«
»Vermutlich soll ich dir dafür nun dankbar sein«, schnappte Alisa.
Nikki ignorierte die sarkastische Antwort und fuhr im gleichen gelassenen Tonfall fort, der weder erklärte noch bat, noch die Zuhörerin zu überzeugen versuchte:
»Ich muß dich allerdings warnen, daß ein paar andere Überzeugungsmethoden angebracht sein werden, wenn wir auf Mon Plaisir ankommen und du dich immer noch gegen meine … Ansprüche wehrst. Doch sei beruhigt, sie werden angenehmer und subtiler sein als die Maßnahmen, auf die ich vor fünf Tagen so hastig und unklugerweise zurückgreifen mußte.«
»Sie sind sehr freundlich, Monsieur«, erwiderte Alisa zornig. »Aber lange werde ich auf jeden Fall nicht auf Mon Plaisir bleiben. Sie können mich nicht zum Bleiben zwingen.«
Mit einem heiseren Lachen, das andeutete, wie sehr er anderer Meinung war, entgegnete Nikki ironisch lächelnd: »Ich bin anderer Meinung, aber bitte stellen wir es auf die Probe. In meiner gegenwärtigen Stimmung …«, fuhr er grimmig fort, »… nachdem ich vier Tage und fünf Nächte lang deine Beleidigungen angehört habe, neige ich dazu, meine Ritterlichkeit momentan zu vergessen. Selbst meine gutmütige Geduld ist nicht unendlich.«
Angesichts seines kalten, stählernen Blicks unterdrückte Alisa die wütende Antwort, die sie darauf geben wollte, und schwieg lieber. Den Rest der Fahrt verbrachten sie in kühler Feindseligkeit. Am Spätnachmittag erreichten sie das Gut.
Im Jahre 1796 hatte Nikkis Großvater beschlossen, ein Landhaus ganz aus Holz in seinen Wäldern nördlich des Ladogasees bauen zu lassen – als Ruheort vor dem hektischen Hofleben. Mit Hilfe von Hunderten von leibeigenen Handwerkern und nur mit Äxten wurde das große Haus vollständig aus Holz gebaut. Nur für die Verzierungen benutzte man Sägen, Meißel und Bohrer. Kein einziger Eisennagel oder andere Metallteile wurden verwendet. Es wurde ganz nach Augenmaß gebaut und wurde zum bemerkenswerten Beispiel für die Architektur der Holzkunst.
Der Mittelteil des dreißig Meter langen dreistöckigen Hauses wurde von zwei Hügeln flankiert, die die dem See zugewandte Fassade insgesamt auf fünfzig Meter verlängerte. Kunstvoll geschnitzte Firste hingen tief über die Balkenwände, die sowohl innen wie außen abgeflacht worden waren. Jedes Fenster war von einem fein ziselierten Rahmen umgeben.
Die Schlafzimmer im zweiten Stock waren von Baikonen mit gedrechselten Geländern umgeben, während eine riesige barocke Veranda, gestützt von zwei Säulen, die aus ganzen Baumstämmen gehauen waren, das Hauptportal krönte.
Im Frühjahr 1798 war die Villa fertiggestellt. Innen wirkte sie ebenso schön und prächtig wie von außen: Lüster, Spiegel, Türrahmen und Parkett – alles bestand aus Holz, das zum Teil vergoldet war. Alles war aufs Feinste gearbeitet. Die Schnitzereien an den Möbeln, Rahmen und Leuchtern wies Girlanden aus Rosen, Kornblumen, Figurinen und Tiere auf. Alles war aus Holz von Männern erschaffen worden, die nicht einmal ihren eigenen Namen schreiben konnten.
Sämtliche Räume strahlten den stillen Charme der Ländlichkeit aus: matt gewachste Böden, Felle und gewebte Teppiche, Wandbehänge, handgewebtes Leinen, Häkelspitze und Stickereien im traditionellen Tomatenrot.
Im ganzen Haus standen stets Vasen mit frischen Blumen.
Diese Pracht wurde von Alisa nur flüchtig wahrgenommen, weil Nikki sie fast unmittelbar nach ihrer Ankunft in seine Räume im Ostflügel trug. Er legte sie auf sein Bett, drehte sich wortlos um, verließ das Zimmer und drehte den Schlüssel im Schloß.
Als Nikki wieder unten war, wies er die Diener und Katelina in den Westflügel, in dem sie untergebracht wurden. Nachdem er dafür gesorgt hatte, daß das kleine Mädchen alles hatte, was es brauchte, erklärte er ihr sowie Rakeli und Maria, daß Alisa sich nach
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