Dreiländermord
worden,
gegen die Steine geprallt und auf einem Felsbrocken aufgekommen.
»Die ist bestimmt ermordet worden.« Die Frau schüttelte sich. Sie könne
sich nicht vorstellen, dass das Opfer freiwillig in die Tiefe gesprungen sei.
Man habe beobachtet, wie sie am frühen Abend gemeinsam mit einem älteren
Mann vom Strandcafé die Treppe nach Esquinzo hinaufgestiegen sei.
»Anscheinend haben sich die beiden gestritten«, behauptete die Frau,
»jedenfalls muss er sie gestoßen haben, sie ist gestolpert und über die flache Abgrenzung
in die Felsen gestürzt.«
Böhnke hatte schweigend zugehört. Ihm schwante, dass sich eine Verwicklung
anbahnte, in die er sich eventuell verstricken könnte. »Sie haben nicht zufällig
den Namen des Opfers?«, fragte er interessiert. »Wie alt sie ist, wo sie herkommt?«
Nein, das wisse sie nicht, antwortete die Frau, sie sei ja nicht von
der Polizei.
Böhnke versuchte sein Glück bei der Rezeption und stieß wieder auf
die auskunftsfreudige Mitarbeiterin.
Sie wisse alles, meinte sie mit einem stolzen Lächeln. »Das Mädchen
hieß Dolores, war so eine von den Hobbynutten hier, die sich gerne an ältere Männer
ranmachte, sich von ihnen aushalten ließ und für ein Schäferstündchen kassierte.«
Jetzt habe sie wohl Pech gehabt. Man habe von Weitem gesehen, dass sie mit einem
älteren Mann auf der Treppe gestritten habe. Er wollte gehen, sie hätte ihn zurückgehalten.
Dann habe er sich losgerissen und als sie ihn wieder festhalten wollte, hätte er
sie in die Tiefe gestoßen, so wird es erzählt. Sie wisse das alles von einem der
Mitarbeiter des Strandcafés, erklärte sie, bevor Böhnke nach ihren Quellen fragen
konnte. Bei Dienstantritt habe der junge Mann Dolores gefunden. Er hätte auch eine
gute Beschreibung des Seniors geben könne. Sie kniff die Augen zusammen und musterte
Böhnke. »Die Beschreibung könnte fast auf Sie passen. Es war jedenfalls ein Deutscher.«
Abwehrend hob Böhnke die Arme. Das hatte ihm noch gefehlt. »Ich bin
mit Sicherheit kein Mörder, im Gegenteil.« Den Zusatz, er fange sie lediglich, verschwieg
er. Dass er ein Mörder sei, das glaube sie nicht, beschwichtigte ihn die Rezeptionistin.
Man werde den Täter sicher bald überführen. Dolores hätte einen Zettel bei sich
gehabt, auf dem die Handynummer des Mannes stand.
Es schien reiner Zufall, dass just in diesem Moment Böhnkes Handy klingelte.
Mit einem knappen »Ja« meldete er sich. Sowie jedoch in Spanisch auf ihn eingeredet
wurde, legte er wieder auf.
»War wohl fasch verbunden«, meinte er über die Rezeptionstheke, hinter
der ihn die Mitarbeiterin angespannt beobachtete. »Sie wissen ja, wo Sie mich finden«,
versuchte Böhnke sie zu beruhigen. »Spätestens zum Abendessen bin ich wieder zurück.«
Heute würde er sich in Richtung Costa Calma aufmachen, fügte er hinzu.
Die Frau gab ihm den Ratschlag mit auf den Weg, höchstens bis zum allein
liegenden Hotel Gorriones zu laufen. Er käme hinter der zweiten Surfstation an einen
Küstenbereich, an dem man gut klettern können müsse, da man ansonsten bei Flut nicht
weiterkomme. Und die Flut hätte fast ihren Höhepunkt erreicht, wenn er in drei oder
vier Stunden dort wäre.
»Auf den glatten Steinen hat sich bereits so mancher ein Bein oder
einen Arm gebrochen, wenn er ausgerutscht ist oder von einer Welle erfasst und gegen
die Felsen geschleudert wurde.«
Er könne sich nicht verlaufen, hatte ihm ein Strandwanderer scherzhaft
mit auf den Weg gegeben, als er in Richtung Norden losmarschiert war. Irgendwann
käme er an Hotelburgen vorbei und stünde vor einer Steilwand. An diesem Punkt müsse
er notgedrungen umkehren. So etwa in 18 bis 20 Kilometern, wie er meinte.
So weit wollte Böhnke nun doch nicht laufen. Er
wollte den Ratschlag der Rezeptionistin beherzigen, am Gorriones den Strand zu verlassen
und vor dem Hotel auf den Bus zu warten, der ihn nach Esquinzo zurückbringen würde.
Es war gar nicht so einfach, den richtigen, festen Weg entlang der Wasserlinie zu
finden. Näherte er sich zu sehr dem Wasser, lief er Gefahr, nasse Schuhe zu bekommen,
lief er weiter landeinwärts, wurde der Sand weicher und er sank ein, was das Vorwärtskommen
noch beschwerlicher machte.
Nur ohne Schuhe würde er nicht mehr laufen, das
war die Erfahrung aus dem Vortag. Das gelegentliche Klettern über die nassen Felsen
war ohne Schuhwerk einfach zu riskant. Böhnke schaute nicht nach vorne oder zur
Seite, er lief, den Kopf gebeugt, vor sich hin,
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