Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
schüttelt den Kopf.
»Du warst so schön«, setzt sie hinzu. »Meine Güte, warst du schön ... So besonnen, so gerissen und so schön ...«
Unbehaglich starrt er in seine leere Kaffeetasse.
»Erzähle mir mehr über Jorges Vater.«
»Wie gesagt, du hast ihn damals in Nizza kennengelernt. Bei diesem Abendessen in Suzi Ferriols Haus. Erinnerst du dich daran?«
»Vage.«
Mecha zieht langsam die Hand vom Tisch.
»Ernesto war sehr kultiviert und vornehm, aber er hatte weder das Talent noch die Phantasie von Armando. Einer dieser Menschen, die immerzu von sich selbst reden und dich nur als Spiegel benutzen. Mag sogar sein, dass dich tatsächlich interessiert, was sie sagen, aber nicht einmal das wollen sie wissen.«
»Das ist ziemlich verbreitet.«
»Du warst nie so. Du konntest immer gut zuhören.«
Max’ Gebärde ist weltmännisch und von abgeklärter Bescheidenheit.
»Branchenübliche Taktik«, gesteht er.
»Jedenfalls ging es schief«, fährt sie fort, »und am Ende sah ich mich von dieser schäbigen Rachsucht befallen, zu der wir Frauen neigen, wenn wir leiden. Dabei habe ich eigentlich gar nicht so sehr gelitten, aber das brauchte er dann auch nicht mehr zu wissen. Mehrmals hatte er versucht, aus dem auszubrechen, was er unsere unbefriedigende, gescheiterte Beziehung nannte; doch wie die meisten Männer schaffte er es gerade mal bis zu der Vagina einer anderen Frau.«
Es klingt nicht vulgär aus ihrem Mund, bemerkt Max. Wie so vieles andere auch nicht, an das er sich lebhaft erinnern kann. Früher hat er unflätigere Ausdrücke von ihr gehört, im selben Ton, kühl, fast sachlich.
»Ich dagegen bin wirklich sehr weit gegangen, wie du ja weißt«, sagt sie. »Im Sinne einer bestimmten Form der Amoralität. Amoralität als Konsequenz ... Als Schlussfolgerung aus der Sterilität, Passivität und Ungerechtigkeit der Moral.«
Erneut blickt sie gleichgültig auf die Asche am Boden. Sie schaut hoch, als der Kellner ihnen mitteilt, dass der Frühstücksservice gleich beendet wird, und fragt, ob sie noch einen Wunsch hätten. Mecha starrt ihn an, als verstünde sie kein Wort oder sei mit ihren Gedanken ganz woanders. Schließlich schüttelt sie den Kopf.
»Im Grunde bin ich zweimal gescheitert«, sagt sie, als der Kellner wieder fort ist. »Als amoralische Frau Armandos und als moralisch verantwortungsvolle Frau Ernestos. Zu meinem Glück hat mein Sohn alles verändert. Dank seiner Existenz boten sich mir neue Möglichkeiten. Mein Leben nahm eine dritte Wende.«
»An deinen ersten Mann erinnerst du dich öfter?«
»An Armando? Wie könnte es auch anders sein? Sein berühmter Tango hat mich mein Leben lang verfolgt, bis heute. Wie dich ja in gewisser Weise auch.«
Max hebt den Blick aus seiner leeren Tasse.
»Irgendwann habe ich erfahren, was wir in Nizza noch nicht wussten«, sagt er. »Dass sie ihn umgebracht haben.«
»Ja. In einem Ort namens Paracuellos in der Nähe von Madrid. Sie hatten ihn aus dem Gefängnis geholt, um ihn dort zu erschießen.« Sie zuckt kaum merklich mit den Schultern. »Ein Trupp führte den armen García Lorca ab und sprach ihn damit heilig, ein anderer meinen Mann ..., was natürlich auch zu seinem Mythos beigetragen und seine Musik unsterblich gemacht hat.«
»Bist du noch einmal in Spanien gewesen?«
»In diesem trostlosen, hasserfüllten Land, das nach Sakristei stinkt und von Schwarzhändlern und gemeinem Gesindel regiert wird? Niemals.« Sie schaut auf die Bucht und lächelt bitter. »Armando war ein gebildeter, phantasievoller und liberaler Mensch. Ein Schöpfer wunderbarer Welten. Wäre er am Leben geblieben, er hätte diese uniformierten Schlächter und diese mörderischen Blauhemden mit ihren Pistolen im Gürtel ebenso verabscheut wie die Analphabeten, die ihn ermordet haben.«
Nach einer Pause wirft sie ihm einen fragenden Blick zu.
»Und du? Was hast du all die Jahre getrieben? Ist es wahr, dass du nach Spanien zurückgekehrt bist?«
Mit einer ausweichenden Geste umreißt Max ereignisreiche Zeiten, günstige Gelegenheiten unter luxussüchtigen Neureichen, Dörfer und Städte im Wiederaufbau, den früheren Eignern zurückgegebene Hotels, im Schutz des neuen Regimes florierende Geschäfte und eine Palette von Möglichkeiten für Nasen mit feiner Witterung. Auf seine Weise resümiert er mit dieser unscheinbaren Handbewegung umtriebige, chancenreiche Jahre, in denen tonnenweise Geld hin und her geschaufelt wurde, verfügbar für jeden, der dasTalent und den Mut
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