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Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Titel: Dreimal im Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arturo Pérez-Reverte
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Respekt können Sie sich sonst wohin schieben. Sehen Sie diese Uhr? Sehen Sie diesen in London geschneiderten Anzug? Sehen Sie meine Krawatte aus Paris? Es hat mich große Anstrengungen gekostet, das alles zu erreichen. Es mit Selbstverständlichkeit zu tragen. Ich habe hart gearbeitet, um es so weit zu bringen. Und jetzt, da ich es geschafft habe, gibt es auf einmal einen Haufen Leute, die sich offenbar darauf versteift haben, mir auf die eine oder andere Weise das Leben zu vergällen.«
    »Verstehe ... Ihr ehrgeiziges, rentables Europa erschlafft wie eine welke Lilie.«
    »Geben Sie mir Zeit, verflucht noch mal. Damit ich es ein bisschen genießen kann.«
    Mostaza schien gleichmütig darüber nachzudenken.
    »Ja«, pflichtete er Max schließlich bei. »Vielleicht haben Sie recht.«
    Max richtete sich auf, als wollte er so viel Meeresluft wie möglich einatmen. Die Lungen reinigen. Jenseits von La Réserve konnte man am grünen Hang des Mont Boron zwischen weißen und ockerfarbenen Villen Susana Ferriols Anwesen ausmachen.
    »Sie haben mich in eine Sache hineingezogen, bei der mir nicht wohl ist«, sagte Max nach einer Weile. »Und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als sie endlich zum Abschluss zu bringen. Sie alle loszuwerden.«
    Mostaza schnalzte bedauernd mit der Zunge.
    »Da muss ich Sie leider enttäuschen«, entgegnete er. »Uns loszuwerden, das wird unmöglich sein. Weil wir die Zukunft sind. Genau wie die Maschinen, die Flugzeuge, die roten Fahnen, die schwarzen, blauen und braunen Hemden ... Sie erscheinen zu spät auf einem Fest, das so gut wie vorüber ist.« Mit der Pfeife zeigte er auf die Wolken, die sich über dem Meer türmten. »Ein Gewitter zieht auf, es ist schon sehr nah. Dieses Unwetter wird alles hinwegfegen; und wenn es vorbei ist, wird nichts mehr sein, wie es war. Dann werden Ihnen Ihre Pariser Krawatten auch nicht viel nützen.«
    »Ich weiß nicht, ob Jorge mein Sohn ist«, sagt Max. »Im Grunde habe ich gar keine Möglichkeit, es zu wissen.«
    »Natürlich nicht«, erwidert Mecha Inzunza. »Du hast nur mein Wort.«
    Sie sitzen an der Piazzetta in Capri auf der Terrasse einer Bar, nahe bei den Kirchenstufen und dem Glockenturm. Sie sind am frühen Nachmittag mit der kleinen Fähre eingetroffen, die von Sorrent aus eine halbe Stunde braucht. Es war Mechas Idee. Jorge ruht sich heute aus, sagte sie, und ich war seit Jahren nicht mehr auf der Insel. Und damit lud sie Max ein, sie zu begleiten.
    »Hast du damals ...«, setzt er an.
    »Andere Männer gehabt, meinst du?«
    Max antwortet nicht sofort. Er schaut die Leute an, die sich an den Nebentischen niederlassen oder im Licht der untergehenden Sonne vorüberflanieren. Man hört Gesprächsfetzen in englischer, italienischer und deutscher Sprache.
    »Zumindest gab es den anderen Keller«, sagt er schließlich, als fasste er einen langen, verwickelten Gedankengang zusammen. »Den offiziellen Vater.«
    Mecha lacht verächtlich auf. Sie spielt mit den Endendes Seidentuchs, das sie über einem grauen Pullover um den Hals geschlungen hat, und ihre langen Beine in den schwarzen Hosen sind schlanker als vor neunundzwanzig Jahren. Sie trägt schwarze Pilgrim-Schuhe ohne Schnallen, und an der Stuhllehne hängt ihre Tasche aus Leinen und Leder.
    »Hör zu, Max. Mir ist nicht im Geringsten daran gelegen, dass du jetzt noch irgendwelche väterlichen Pflichten nachholst.«
    »Ich habe nicht vor ...«
    Sie hebt die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen.
    »Ich kann mir vorstellen, was du vorhast und was nicht. Ich habe dir lediglich eine Frage beantwortet. Warum sollte ich das tun, wolltest du von mir wissen. Warum du dich auf das Wagnis einlassen solltest, den Russen das Buch zu stehlen.«
    »Ich bin zu alt für solche Mätzchen.«
    »Mag sein.«
    Mecha streckt die Hand nach ihrem Weinglas aus. Wieder fällt ihm die runzlige Haut auf, alt wie seine eigene. Die Flecken auf dem Handrücken.
    »Du warst attraktiver«, sagt sie sinnend, »als du dich noch auf Wagnisse eingelassen hast.«
    »Und erheblich jünger«, kontert Max.
    Sie sieht ihn höhnisch an.
    »So sehr hast du dich verändert? Oder haben wir uns verändert? Kein Kribbeln mehr in den Fingerspitzen wie früher? Kein Herzklopfen?«
    Seine Antwort ist eine Geste weltmännischer Resignation, passend zu dem blauen Pullover, den er mit kalkulierter Lässigkeit über die Schultern seines weißen Polohemds geworfen hat, passend zu der grauen Leinenhose, dem grauen, wie eh und je nach hinten gekämmten

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