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Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Titel: Dreimal im Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arturo Pérez-Reverte
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einzigen Passagiere sind. »Das ist alles. Anschließend musste ich mich entscheiden. Und das habe ich getan.«
    »Es zu behalten.«
    »Das ist ein guter Ausdruck. Es zu behalten, ja. Für mich allein.«
    »Der Vater ...«
    »Ach ja. Der Vater. Wie du gesagt hast, er kam gerade recht. Er war eine Hilfe in der ersten Zeit. Ernesto war ein guter Mann. Gut für das Kind ... Dann brauchte es ihn immer weniger.«
    Mit leichtem Rütteln gleitet die Seilbahn durch dichte Vegetation, unterbrochen von Ausblicken auf die abendliche Bucht. Erst kurz bevor sie ankommen, bricht Max das Schweigen.
    »Heute Morgen habe ich mit deinem Sohn gesprochen.«
    »Eigenartig.« Sie wirkt ehrlich erstaunt. »Wir haben zusammen zu Mittag gegessen, und er hat mir gar nichts davon gesagt.«
    »Er hat mich gebeten, ihm aus dem Weg zu gehen.«
    »Was hast du erwartet? Er ist ein intelligenter Junge. Sein Instinkt funktioniert nicht nur beim Schach. Er wittert in dir etwas Zwielichtiges. Deine Anwesenheit hier und überhaupt. In Wahrheit wittert er es, glaube ich, durch mich. Du kümmerst ihn nicht. Es ist mein Verhalten dir gegenüber, das ihn nervös macht.«
    Als sie den Hafen erreichen, ist die Sonne untergegangen und die Marina schimmert schattengrau. Sie schlendern den Kai entlang und betrachten die Fischerboote, die in Ufernähe ankern.
    »Jorge spürt, dass es zwischen uns eine besondere Verbindung gibt«, sagt Mecha.
    »Eine besondere?«
    »Eine alte. Irrtümliche.«
    Danach verstummt sie für ein paar Minuten. Max geht behutsam neben ihr her und wagt nicht, das Schweigen zu brechen.
    »Vorhin hast du mich etwas gefragt«, fährt sie endlich fort. »Warum, glaubst du, wollte ich dieses Kind bekommen?«
    Max bleibt zunächst stumm. Er wendet sich zur einen und zur anderen Seite und lächelt verwirrt, weil er darauf keine Antwort weiß. Doch sie sieht ihn gespannt an und wartet.
    »Du und ich, wir haben doch eigentlich ...«, stammelt er zögernd.
    Wieder Schweigen. Mecha schaut ihm ins Gesicht, während das Licht vollends verglimmt und die Welt ringsum allmählich zu erlöschen scheint.
    »Seit unserem ersten Tango im Tanzsaal des Schiffes«, sagt Max, »hatten wir eine seltsame Beziehung.«
    Sie sieht ihn immer noch unverwandt an, jetzt mit einer solchen Verachtung, dass es ihn beinahe körperliche Anstrengung kostet, den Blick nicht abzuwenden.
    »Ist das alles? Seltsam, nennst du es? Du lieber Himmel. Ich war seit diesem Tango in dich verliebt. Fast mein ganzes Leben lang.«
    Auch neunundzwanzig Jahre zuvor spazierten Max und Mecha über die Promenade des Anglais, als es über der Bucht von Nizza gerade Nacht wurde. Der Himmel hatte sich fast völlig zugezogen, der letzte Lichtschimmer verblasste hinter den dunklen Wolken, und die Grenzlinie zwischen dem Himmel und dem aufgewühlten Meer, das rasselnd die Kieselsteine am Strand überspülte, verschwamm. Dicke Tropfen, Vorboten eines kräftigen Regens, kamen vom Himmel, die unbewegten Palmwedel boten einen traurigen Anblick.
    »Ich verlasse Nizza«, sagte Max.
    »Wann?«
    »In drei oder vier Tagen. Wenn ich ein Geschäft zum Abschluss gebracht habe.«
    »Kommst du zurück?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Sie ließ das Thema fallen. Auf ihren Absätzen ging sie mit sicherem Schritt über die nasse Straße, die Hände in den Taschen eines grauen Regenmantels mit eng geschnalltem Gürtel, der ihre schlanke Taille betonte. Das Haar hatte sie unter einer schwarzen Baskenmütze verborgen.
    »Wirst du in Antibes bleiben?«, wollte Max wissen.
    »Ja. Vielleicht den ganzen Winter über. Zumindest solange es in Spanien so zugeht und ich auf Nachrichten von Armando warte.«
    »Hast du noch mal etwas von ihm gehört?«
    »Nein.«
    Max hängte sich den Regenschirm über den Unterarm. Dann nahm er den Hut vom Kopf, schüttelte die Nässe ab und setzte ihn wieder auf.
    »Wenigstens ist er noch am Leben.«
    »Vor ein paar Wochen war er das. Ich weiß nicht, ob immer noch.«
    Am Palais Méditerranée wurde die Beleuchtung eingeschaltet. Wie auf ein geheimes Zeichen hin flammten mit einem Mal auch die Straßenlaternen entlang der weiten Kurve der Promenade auf und warfen ein Spiel aus Licht und Schatten auf die Fassaden der Hotels und Restaurants. Gegenüber dem Ruhl, auf dem Steg zur Jetée-Promenade, wo unter der Markise ein uniformierter Portier seinen Dienst versah, versuchten drei junge Männer ihr Glück, indem sie die vorfahrenden Autos und die aussteigenden Frauen belauerten, die auf das Palais

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