Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
Ich habe einen Tisch bei Bouttau reserviert, gleich neben der Kathedrale.«
Mecha vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter, dass er fast das Gleichgewicht verloren hätte.
»Ich hasse dieses Restaurant«, sagte sie. »Da kommt immer der Besitzer an den Tisch und begrüßt einen.«
»Was ist denn daran so schlimm?«
»Eine Menge. Seit Modisten, Friseure und Köche dort verkehren, ist es nicht mehr auszuhalten.«
»Und Tangotänzer«, ergänzte Max lachend.
»Ich habe eine bessere Idee«, sagte sie. »Wir essen schnell etwas in La Cambouse. Austern und eine Flasche Chablis. Und dann führst du mich in dieses Lokal.«
»Meinetwegen. Aber steck deine Kette und das Armband in die Tasche, bevor wir hineingehen. Wir sollten das Schicksal nicht herausfordern.«
Unter einer Laterne auf dem Cours Saleye wandte sie sich ihm zu. Ihre Augen glänzten wie Messing oder Kupfer.
»Sind dort auch die Jungs von früher?«
»Ich fürchte, nein«, lächelte Max fatalistisch. »Dort sind eher die Jungs von heute.«
Lions at the Kill war kein schlechter Name, versprach aber mehr, als das Lokal hielt. Es gab billigen Champagner in Eiskübeln, dunkle, schmuddelige Ecken, eine Sängerin ungewissen Geschlechts mit rauer Stimme, die, ganz in Schwarz, Edith Piaf imitierte, und nach zehn Uhr abends ein paar Striptease-Nummern. Die Einrichtung wirkte künstlich, rein auf Wirkung bedacht, eine Mischung aus veralteter Liederlichkeit und ranzigem Surrealismus. An den Tischen saßen ein paar amerikanische und deutsche Touristen auf der vergeblichen Suche nach aufregenden Erlebnissen, Seeleute, die aus Villefranche herübergekommen waren, und drei oder vier Gestalten, die aussahen wie Zuhälter im Film, mit spitz zulaufenden Koteletten und dunklen, gestreiften Anzügen, Gestalten, die, so Max’ Verdacht, vom Wirt bezahlt wurden, um ein wenig Ambiente zu schaffen. Mecha langweilte sich und hielt kaum bis zur Hälfte des zweiten Striptease durch – dargeboten von einer üppigen Ägypterin mit großen, weißen, bebenden Brüsten –, also verlangte Max die Rechnung, zahlte zweihundert Francs für die noch fast volle Flasche, und sie verließen das Lokal.
»Ist das alles?« Mecha schien enttäuscht.
»In Nizza, ja. Oder beinahe.«
»Dann lass uns ins Beinahe gehen.«
Max klappte den Schirm auf und wies die Straße hinauf. Es regnete jetzt in Strömen. Sie waren in der Rue Saint-Joseph, die ein Stück weiter den Aufstieg zum Schloss kreuzte. Nahe der einzigen Straßenlaterne standen zwei Frauen, die sich im Eingang eines geschlossenen Blumenladens untergestellt hatten. Langsam, Arm in Arm, umgeben vom Prasseln des Regens, gingen Max und Mecha auf die beiden zu. Eine der Frauen postierte sich an eine Tür, als sie sie kommen sah, die andere blieb stehen und blickte ihnen entgegen. Sie war schlank und groß und trug einen Blouson mit Persianerkragen und einen dunklen, engen Rock, der bis halb überdie Wade reichte. Der Rock saß stramm um die Hüften und betonte ihre langen Beine, die durch die Plateausohlen und die hohen Keilabsätze ihrer Schuhe noch länger wirkten.
»Sie ist hübsch«, bemerkte Mecha.
Max betrachtete das Gesicht der Frau im Licht der Laterne. Sie sah jung aus unter der dicken Schminke, mit ihrem bemalten Mund, den mit viel Wimperntusche umrahmten Augen unter ausgezupften, mit einem Kosmetikstift fein nachgezeichneten Brauen. Der schmalkrempige Hut war durchnässt, und auf ihrer Haut glitzerten winzige Tröpfchen.
»Mag sein«, gab er zu.
»Sie hat einen schönen, geschmeidigen Körper. Fast elegant.«
Sie waren jetzt auf Höhe der Frau angelangt, die das Paar musterte. Ihr schneller, geübter Blick streifte zunächst Max, verdüsterte sich aber im nächsten Augenblick und wurde gleichgültig, als die Frau feststellte, dass seine Begleiterin sich bei ihm untergehakt hatte. Danach taxierte sie Mecha, ihre Kleidung, ihr Aussehen. Der Regenmantel und die Baskenmütze gaben nicht viel preis; Max fiel jedoch auf, dass die Frau Mechas Schuhe und Handtasche mit einem Ausdruck von Missbilligung betrachtete, als hielte sie es für einen Frevel, diese Sachen vom Regen ruinieren zu lassen.
»Frag sie nach ihrem Preis«, flüsterte Mecha.
Sie hatte sich Max mit fast harscher Geste zugewandt, ohne die Frau aus den Augen zu lassen. Er starrte Mecha verwirrt an.
»Warum sollte uns das interessieren?«
»Frag sie.«
Sie hatten Spanisch gesprochen, aber die Frau hatte verstanden oder erraten, worum es ging. Der Anflug eines
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