Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
keine Frage. Sein Lächeln wurde noch etwas breiter. Er hatte seit Jahren nicht so gestrahlt.
»Oh, mein Lieber«, sagte sie.
Der Kellner servierte den Cocktail. Max trank langsam und genussvoll. Etwas zu viel Gin. Genau das, was er brauchte.
»Wie war es?«, fragte Mecha.
»Anstrengend.« Er stellte das Glas auf den Tisch. »Für gewisse Abenteuer bin ich einfach zu alt. Ich hab’s dir ja gesagt.«
»Aber du hast es. Das Buch.«
»Ja.«
Erwartungsvoll stützte sie sich auf den Tisch.
»Wo ist es?«
»An einem Ort, wo es keiner finden wird, wie verabredet.«
»Willst du mir nicht sagen, wo?«
»Noch nicht. Erst in ein paar Stunden, zur Sicherheit.«
Sie blickte ihn durchdringend an, während sie über seine Antwort nachdachte, und Max wusste, was ihr durch den Kopf ging. In ihren Augen erkannte er den alten, den fast schon vertrauten Argwohn. Doch nur einen Moment lang. Dann neigte sie wie zur Entschuldigung leicht den Kopf.
»Du hast recht«, räumte sie ein. »Es ist besser, wenn du es mir noch nicht gibst.«
»Natürlich. Darüber hatten wir doch gesprochen. Und so waren wir verblieben.«
»Bin gespannt, wie sie reagieren.«
»Eben bin ich an dem Gebäude vorbeigegangen. Alles scheint ruhig.«
»Vielleicht wissen sie es ja noch gar nicht.«
»Doch, bestimmt. Ich habe überall Spuren hinterlassen.«
»Hat es irgendeinen Zwischenfall gegeben?«
»Ich habe meine Kräfte überschätzt«, bekannte er, »und deshalb ein bisschen improvisieren müssen.«
Er schaute zum Hotel hinüber, das jenseits der noch immer befahrenen Piazza lag. Er stellte sich die Russen vor, wie sie den Einbruch zu rekonstruieren versuchten, anfangs verwundert, später wütend. Um seine Angst zu zügeln, trank er ein paar Schlucke. Fast erstaunte es ihn, keine Polizeisirenen zu hören.
»Ich hätte dort um ein Haar in der Falle gesessen«, gestand er. »Wie ein Trottel. Kannst du dir das vorstellen? Die Russen kommen von der Partie zurück, und ich sitze da und warte auf sie.«
»Können sie dich identifizieren? Du sagst, du hast Spuren hinterlassen.«
»Keine Fingerabdrücke oder so, das meine ich nicht. Ich spreche von einer kaputten Scheibe und einem Seil. Selbst einem Blinden würde das auffallen.«
Er blickte sich wieder in alle Richtungen um. Die Terrasse leerte sich allmählich, ein paar wenige Tische waren noch besetzt.
»Es gefällt mir nicht, dass sich nichts regt«, fuhr er fort. »Dass es keinerlei Reaktion gibt. Sie könnten dich jetzt in diesem Moment beobachten. Und mich.«
Stirnrunzelnd blickte auch sie sich um.
»Warum sollten sie uns mit dem Einbruch in Verbindung bringen?«, sagte sie nach kurzer Überlegung.
»Du weißt, dass es nicht lange dauern wird, bis sie eins und eins zusammengezählt haben. Und wenn sie mich identifizieren, bin ich fällig.«
Er legte eine Hand auf den Tisch. Sie war hager, vom Alter gezeichnet, und er hatte Jodflecken an Fingern und Knöcheln, wo er sich beim Klettern und Abseilen Schrammen zugezogen hatte. Er hatte noch immer Schmerzen.
»Vielleicht sollte ich das Hotel verlassen«, schlug er nach einer Weile vor. »Eine Zeit lang verschwinden.«
»Weißt du, Max?« Sanft streicht sie über die geröteten Stellen seiner Hand. »Das kommt mir alles wie ein Déjà-vu vor. Findest du nicht?«
Ihr Ton war zärtlich, unermesslich liebevoll. In ihren Augen spiegelten sich die kleinen Lampions der Terrasse. Max zog eine Grimasse, als ihn die Erinnerung überkam.
»Das stimmt schon«, nickte er. »Zumindest teilweise.«
»Wenn wir die Uhr zurückdrehen könnten, ich weiß nicht, vielleicht hätten sich die Dinge ... anders entwickelt?«
»Sie konnten sich nur so und nicht anders entwickeln. Seinem Schicksal entgeht niemand. Es kommt, wie es kommen muss.«
Er winkte den Kellner heran und zahlte. Dann stand er auf und ergriff Mechas Stuhllehne.
»Damals in Nizza ...«, begann sie.
Max legte ihr die Jacke um. Als er die Hände von ihren Schultern nahm, ließ er sie sanft ihre Arme entlanggleiten wie eine kurze Liebkosung.
»Bitte sprich nicht von Nizza.« Sein Flüstern klang wie Flehen. So hatte er lange zu keiner Frau gesprochen. »Nicht heute Abend, bitte. Nicht jetzt.«
Er sagte es lächelnd. Und als sie sich zu ihm umwandte und sein Gesicht sah, lächelte auch sie.
»Es wird wehtun«, sagte Mecha.
Sie träufelte etwas Jodtinktur auf den Schenkel, und Max hatte das Gefühl, als würde ihm die Wunde mit einem glühenden Eisen ausgebrannt. Es schmerzte
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